Beschreibung
Mysteriöse Gestalten huschen durch die Dunkelheit, Menschen verschwinden und fremde Nebel suchen die Stadt der Schornsteine heim. Erneut muss das Waisenmädchen Emily begleitet von ihrem Mentor, den mürrischen Alchemisten Wittgenstein, in die geheimnisvolle Welt unterhalb Londons hinabsteigen und der Spur eines dunklen Rätsels folgen.
Mit seinen preisgekrönten Erfolgsromanen Lycidas und Lilith eroberte Christoph Marzi in kürzester Zeit die Herzen zahlloser Leser. In Lumen findet die märchenhafte Geschichte um Emily und ihre Gefährten nun ihren atemberaubenden Höhepunkt einmal mehr verwebt der Autor die viktorianische Atmosphäre eines Charles Dickens mit dem Zauber von Harry Potter.
Autorenportrait
Christoph Marzi, Jahrgang 1970, wuchs in Obermendig nahe der Eifel auf, studierte in Mainz und lebt heute mit seiner Familie im Saarland. Seit dem großen Erfolg seiner Saga um die Uralte Metropole (Lycidas, Lilith, Lumen und Somnia) ist er einer der erfolgreichsten deutschen Phantasik-Autoren.
Leseprobe
GROSSE ERWARTUNGEN
Die Welt ist gierig, und manchmal umschließen Nebel unsere Herzen, bis wir uns nicht einmal mehr daran erinnern können, wann unsere Träume zu sterben begannen. Emily Laing, die ihren Himmel gefunden zu haben glaubte, war achtzehn, als ihre Mutter starb und die Stadt der Schornsteine von fremden Nebeln heimgesucht wurde, die wie eine Krankheit durch die Straßen flossen und in deren trüber Schattenhaftigkeit sich Allerschlimmstes verbarg. "Werden sie uns töten?"
Die Feuchtigkeit, die allgegenwärtig ist in den Verliesen tief unterhalb der City Thameslink, lässt mich husten. "Fragen Sie nicht", antworte ich leise und lausche den Schritten, die sich der Zellentür nähern.
Das Mädchen, das mir einst am Fuße der Rolltreppe in der Tottenham Court Road anvertraut worden war, sieht müde und verängstigt aus. Struppiges rotes Haar fällt über das helle Mondsteinauge, in dem sich einst so große Erwartungen gespiegelt hatten. Erwartungen, die am Ende aber doch unerfüllt geblieben waren und dem Auge, das Emily insgeheim noch immer vor der Welt zu verbergen suchte, den einstigen Glanz genommen haben.
Dann flüstere ich dem Mädchen leise zu: "Treten Sie von der Tür zurück."
"Was haben Sie vor?"
Ich werfe ihr hastig einen nervösen Blick zu.
"War bloß eine Frage", murmelt sie beleidigt, schweigt dann aber und leistet meiner Anweisung Folge.
Jemand schiebt langsam einen Schlüssel in das Schloss, und ein rostiges Knirschen frisst sich in die Stille, die uns seit Stunden schon umgibt. Die uralten Eisenscharniere setzen sich in Bewegung, und das, was sich dahinter verbirgt, wird gleich sein Gesicht zeigen.
Doch sollte ich meiner Erzählung nicht vorgreifen. Lassen Sie uns die Geschichte dort beginnen, wo sie ihren Anfang genommen hat. Lauschen Sie still meinen Worten und folgen Sie mir nach London, der Stadt der Schornsteine am dunklen Fluss, hinüber zum alten Raritätenladen am Cecil Court, wo die hölzernen, bis hinauf zur Decke reichenden Regale und die dürftige, matte Beleuchtung allzeit den Eindruck erweckten, man befände sich in einer behaglichen Höhle, irgendwo ganz tief unter der Erde. Die labyrinthischen Gänge erfüllte eine wohlige Stille, die nur von den behutsamen Schritten auf den knarzenden Dielen und dem bei stürmischem Wetter gegen das milchige Glasfenster prasselnden Regen durchbrochen wurde. Wenn überhaupt, dann wurde hier nur äußerst leise gesprochen. Niemals hatte es laute Worte im Laden gegeben, bloß jenes dahingehauchte Flüstern, das sich mit dem wispernden Geräusch in Büchern blätternder Finger zu einem Bild voller staubiger Farben vermischte. Kaufte einer der wenigen Kunden, die sich hierher verirrten, etwas - Buch, Foliant oder gar Nippes -, dann spielte die mächtige Registrierkasse eine rostige Melodie.
An diesem Ort fühlte sich Emily Laing zu Hause.
Der alte Raritätenladen und das Haus in Marylebone, in dem sie eine kleine Dachkammer bewohnte, die so unordentlich und unaufgeräumt war wie sie selbst, waren die Orte, an denen sie Ruhe fand und sich sicher und geborgen fühlte, geschützt vor den kalten Winden und Schneestürmen, die draußen in London wüteten, und auch vor den seltsamen Nebeln, von denen immer häufiger berichtet wurde und die an den unterschiedlichsten Stellen in London und der uralten Metropole gesichtet worden waren.
Manchmal sprachen die Kunden über die Nebelerscheinungen, aber keiner wusste etwas Genaues.
"Nebula mala", so nannten die Tunnelstreicher die Nebel, die, glaubte man den Berichten, schleichend aus dem Nichts auftauchten und ebenso schnell wieder verschwanden.
Wie dem auch sein mochte - an jenem Tag, als Emily von der Neuigkeit erfuhr, die ihr junges Leben erneut verändern sollte, hatte sich kaum Kundschaft in den Laden verirrt, und sie hatte den Nachmittag damit verbringen können, die restlichen Schulaufgaben zu erledigen und in einem B sein", pflegte sie trotzig zu bemerken, wenn andere Schüler es wagten, sie darauf anzusprechen. Zudem war es das erste richtige Geschenk in ihrem Leben gewesen.
"Der Mondstein", hatte ich ihr erklärt, "nimmt die Angst vor der Zukunft. Er besitzt die Kraft der Jugend und schenkt Lebensfreude."
Ganz zaghaft hatte sie damals das neue Auge berührt. "Es fühlt sich lebendig an, Wittgenstein."
Ich hatte damals gehofft, dass ihr das Mondsteinauge einige der schlimmen Erinnerungen an Rotherhithe nehmen würde. Daran, dass sie im Alter von sechs Jahren infolge unglücklicher Verquickungen das Licht des linken Auges hatte einbüßen müssen.
Fremden Menschen war Emily meist mit Misstrauen und Argwohn begegnet.
"Ich weiß, dass die Menschen mich nur wegen des Auges anstarren."
"Eines Tages", hatte ich ihr versichert, "werden Sie jemandem begegnen, der Sie gerade wegen Ihres Mondsteinauges lieben wird."
Damals hatte ich nur ein Achselzucken geerntet.
Nicht lange darauf jedoch war meine Schutzbefohlene einem Jungen begegnet, der den Blick gar nicht mehr hatte abwenden können von ihr. Der sie mit seinen dunklen Augen angeschaut und das verunsicherte Herz des jungen Waisenmädchens in eben jenem Augenblick erobert hatte, als sie einander zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren.
Zwei Jahre schon lag dieser Augenblick zurück, und noch immer war er mehr Gegenwart als Vergangenheit für Emily. Noch immer waren Adam Stewart und sie ein Paar, und sie lächelte, das sei hier angemerkt, viel öfter, als sie es früher getan hatte.
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