Beschreibung
Jean Paulhan (1884-1964) stand als Chefredakteur der Nouvelle Revue Française funfzig Jahre lang im Mittelpunkt des literarischen und intellektuellen Lebens in Frankreich. Sein eigenes literarisches und essayistisches Werk aber, zu dem die hier erstmals auf Deutsch vorliegenden ethnographischen Texte zählen, gilt es noch zu entdecken. Paulhans Untersuchungen madagassischer Sprichwörter (ohabolana) und Gedichte (hain-teny) inspirierten nicht nur die französischen Surrealisten und das Collège de Sociologie. Sie bilden auch die wichtigste Quelle der literaturtheoretischen Reflexionen, die 1936 in Paulhans Hauptwerk Die Blumen von Tarbes mundeten. Nachdem Paulhan von 1908 bis 1910 als Lehrer in der damaligen französischen Kolonie Madagaskar gelebt hatte, kam er uber dreißig Jahre hinweg in immer neuen Essays und Vorträgen auf seine Erfahrungen mit der Sprache und Kultur dieses Landes zuruck. Die vorliegende Sammlung seiner ethnographischen Abhandlungen erlaubt die andauernde Faszination der oralen Dichtung Madagaskars und ihre Bedeutung fur Paulhans Wiederentdeckung der Rhetorik nachzuvollziehen. Dabei sind seine Essays nicht allein als Zeugnisse seiner kritischen Auseinandersetzung mit den ethnozentristischen Theorien der Ethnologie seiner Zeit von andauerndem Interesse. Als geradezu frappierend aktuell erweist sich die Verwobenheit narrativer und reflexiver Elemente in Paulhans Auseinandersetzung mit der epistemologischen Problematik eines Zugangs zu fremdkulturellen Sprach- und Denkformen.
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