Beschreibung
Nicolas Kolt hat den Gipfel des Ruhms erreicht. Millionenfach hat sich sein Buch, 'Der Brief', verkauft. Er ist reich, berühmt, fliegt für Lesungen um die halbe Welt. Seine Leser verfolgen jede Meldung über ihn - und warten auf den neuen Roman. Doch die Arbeit daran hat nicht einmal begonnen. Mit seiner Freundin Malvina entflieht Nicolas auf eine abgeschiedene italienische Insel, ins Gallo Nero, einem der exklusivsten Hotels der Welt. Hoch oben auf dem Kliff, mit einzigartigem Blick und Privatstrand will er Inspiration finden, um endlich die ersten Worte zu Papier zu bringen. Doch die Ruhe des Gallo Nero ist trügerisch. Plötzlich tauchen Fotos von Kolt auf Facebook auf. Jemand scheint ihn zu beobachten. Malvina ist ungewöhnlich gereizt. Und sein bester Freund beantwortet seine Anrufe nicht. Völlig unerwartet holen ihn hier, in der Idylle der italienischen Ferieninsel, die Schatten seiner Vergangenheit ein.
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Leseprobe
Als Nicolas im Gallo Nero eintraf, einem weitläufigen, ockerfarbenen Gebäude mit dunkelrotem Dach und grünen Fensterläden, hatte er das Gefühl, in ein Privathaus zu kommen, und nicht in ein Hotel. Seitlich parkten Lamborghinis, Ferraris, Porsches und Jaguare. Er nahm die paar Stufen zum Eingang, und die Tür ging auf. Eine schlanke Frau im schwarzen Kostüm säuselte zur Begrüßung seinen Namen, als sei das der zauberhafteste Klang der Welt. Malvina und er wurden durch eine Lobby geführt, die überhaupt nicht wie eine Hotellobby aussah, sondern eher wie das einladende Entree zum Heim eines Freundes: Bodenfliesen, Deckenbalken, ein gemauerter Kamin, über dem ein Gemälde von einem Hahn hing, bequeme weiße Sofas, farbenfrohe Kissen, Pflanzen, niedrige Tische, Bücher- und Zeitschriftenstapel. Durch die geöffneten Erkerfenster konnte er hinaus auf die von Kerzen erleuchtete Terrasse blicken, von der Stimmengemurmel, Gelächter, das Klirren von Eiswürfeln und Klaviermusik mit The Girl from Ipanema hereinklang. Das Gallo Nero roch nach Zimt und Sonnenschein, Zitrone und Lavendel, aber vor allem anderen roch es nach Genuss und Geld. Zwei Wochen zuvor, an einem drückend schwülen Tag Anfang Juli in Paris, hatte ihm die Journalistin eines Hochglanzmagazins, ein hübsches Mädchen mit blauen Augen und breitem Lächeln, beim Mittagessen im Cigale Récamier zugeraunt: "Nicolas, Sie müssen unbedingt mal ins Gallo Nero fahren." Es sei ein perfektes, luxuriöses Refugium. Leicht zu merken. Der schwarze Hahn. Er sah es sich im Internet an. Exklusiv. So ein Ort, an den sich die kleine, glückliche Schar der Auserwählten zurückzog. Das Ressort lag auf einer winzigen Insel vor der toskanischen Küste. Es hatte einen privaten Felsstrand, zu dem man mit einem James-Bond-artigen, in die Klippe gebauten Fahrstuhl gelangte, einen berühmten Koch, Tennisplätze und einen nierenförmigen Meerwasser-Pool. Die Preise waren unanständig. Aber es sah verlockend aus. Er sehnte sich danach, dem stickigen Pariser Sommer zu entkommen. Er war seit 2003, seit der Reise mit François, seinem besten Freund, nicht mehr an der italienischen Küste gewesen. Er rief im Gallo Nero an, und eine herablassende Stimme am Telefon verkündete: "Bedaure, Signor, in der Woche ist nichts mehr frei. Wir sind Monate im Voraus ausgebucht." Er murmelte eine Entschuldigung und sagte: "Könnte ich meinen Namen und meine Telefonnummer hinterlassen für den Fall, dass doch noch etwas frei wird? Es ist der Geburtstag meiner Freundin, und. na ja." Ein Seufzer am anderen Ende der Leitung. Er nahm an, dass der Seufzer Ja bedeutete, also sagte er: "Nicolas Kolt." Bevor er seine Telefonnummer durchgeben konnte, hörte er ein Luftschnappen. "Verzeihen Sie?", würgte die Frau hervor. "Sagten Sie Nicolas Kolt?" Daran hatte er sich inzwischen gewöhnt, und noch war es ihm nicht lästig geworden. "Der Schriftsteller? Der Autor von Der Brief? Signor Kolt, Sie hätten mir gleich sagen sollen, wer Sie sind, natürlich haben wir ein Zimmer für Sie, sogar eins unserer schönsten mit einem herrlichen Blick auf den Monte Argentario, wann möchten Sie kommen, Signor Kolt?" Sie kamen am Donnerstag spätabends an, und Malvina war erschöpft von der langen Anreise, erst der Flug von Paris Charles de Gaulles nach Rom Fiumicino, wo ein Chauffeur sie abholte, und dann die Fahrt an der Küste entlang. Heute, Freitagmorgen, schläft sie noch immer in dem großen Zimmer, das in der Tat sehr schön ist. Geschmackvolle Sand- und Beigetöne, Aquarelle von italienischen Dörfern, cremeweiße Vorhänge und Tagesdecken. Weiße Rosen, kleine Schalen mit Feigen und Weintrauben. Ein Umschlag mit der persönlichen Begrüßung durch den Hoteldirektor, Dr. Otto Gheza. Nicolas steht früh auf, bemüht sich, Malvina nicht zu wecken, und späht durch den Vorhang auf den Balkon mit seinen zwei Deckchairs, dem rechteckigen Teakholztisch und den eingetopften Lorbeerbäumen. Er zieht seine Badehose und den flauschigen Bademantel an, der an der Badezimmertür hängt, und verl