Beschreibung
"Sein klarer, nüchterner Stil macht dieses Buch über die Hoffnung in Zeiten der Unmenschlichkeit umso berührender." Brigitte "Steven Galloway ist ein aufwühlender Roman gelungen, dessen Stärke sein dokumentarischer Charakter ist." WDR5 "Scala" "Sein schmaler Roman, gekonnt geschrieben und gut übersetzt, ist ein eindringliches Plädoyer gegen den Wahnsinn des Krieges und für den Sieg der Menschlichkeit dank der tröstlichen Kraft der Musik." Berner Zeitung
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Autorenportrait
Steven Galloway wurde 1975 in Vancouver, Kanada, geboren und hat bisher drei Romane publiziert. "Der Cellist von Sarajevo" erschien in fünfzehn Ländern, kam u.a. auf die Longlist des Giller Prize und des IMPAC Dublin Literary Award, auf die Shortlist von Richard & Judys Best Read of the Year sowie des Ethel Wilson Fiction Prize. Galloway lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in New Westminster, British Columbia.
Leseprobe
Sie fauchte talwärts, spaltete mühelos Luft und Himmel. Ihr Ziel, durch Zeit und Geschwindigkeit näher gebracht, breitete sich aus. Einen Moment vor dem Aufschlag war zum letzten Mal alles so wie zuvor. Dann explodierte die sichtbare Welt. Im Jahr 1945 fand ein italienischer Musikwissenschaftler in den Überresten der ausgebrannten Dresdener Musikbibliothek vier Takte vom Generalbass zu einer Sonate. Er glaubte, dass diese Noten ein Werk des venezianischen Komponisten Tomaso Albinoni aus dem 17. Jahrhundert seien, und versuchte sich in den nächsten zwölf Jahren an der Rekonstruktion eines größeren Stückes aus dem versengten Manuskriptfragment. Die dabei entstandene Komposition, bekannt als Albinonis Adagio, besitzt wenig Ähnlichkeit mit Albinonis anderen Werken und gilt bei den meisten Gelehrten als fragwürdig. Aber selbst diejenigen, die an seiner Echtheit zweifeln, können die Schönheit dieses Adagios nur schwerlich bestreiten. Fast ein halbes Jahrhundert später ist es ebendieser Widerspruch, der dem Cellisten gefällt. Dass etwas, das in einer vom Krieg zerstörten Stadt fast vernichtet worden wäre, wiedererstehen, etwas Neues und Wertvolles werden konnte, gibt ihm Hoffnung. Eine Hoffnung, die jetzt zu dem Wenigen zählt, was den belagerten Einwohnern von Sarajevo geblieben ist. Für viele schwindet die Hoffnung mit jedem Tag. Und so sitzt der Cellist heute am Fenster seiner Wohnung im zweiten Stock und spielt wie jeden Tag in letzter Zeit, bis er seine Hoffnung wiederkehren spürt. Das Adagio spielt er selten. An vielen Tagen ist es einfach, dann kann er die belebende Kraft der Musik so direkt spüren, als tankte er ein Auto auf. Manchmal ist es nicht der Fall. Wenn diese Hoffnung nach etlichen Stunden nicht wiederkehrt, hält er inne, sammelt sich, und dann beschwören er und sein Cello Albinonis Adagio aus den Ruinen von Dresden in die von Mörsern aufgerissenen, von Heckenschützen heimgesuchten Straßen von Sarajevo. Bis die letzten Töne verklingen, hat er wieder Hoffnung gefasst, aber jedes Mal, wenn er auf das Adagio zurückgreifen muss, wird es schwerer, und er weiß, dass seine Wirkung begrenzt ist. Die Adagios, die er noch zur Verfügung hat, sind gezählt, und er will diese kostbare Währung nicht leichtfertig verplempern. Es war nicht immer so. Unlängst noch sah es so aus, als sei ihm ein glückliches Leben beschieden. Vor fünf Jahren, als sich die ganze Familie für ein Foto anlässlich der Hochzeit seiner Schwester aufstellte, hatte ihm sein Vater den Arm um den Nacken geschlungen und ihn mit der Hand an der Schulter gepackt. Es war ein fester Griff, der für manche schmerzhaft gewesen wäre, aber nicht für den Cellisten. Die Finger auf seiner Haut verrieten ihm, dass er geliebt wurde, immer geliebt worden war und dass die Erde ein Ort war, an dem das Gute stets einen Weg finden würde. Obwohl er sich damals über all das im Klaren war, würde er nahezu alles dafür hergeben, wenn er die Zeit zurückdrehen und in diesem Augenblick anhalten könnte, und sei es auch nur, damit er sich jetzt deutlicher daran erinnern konnte. Zu gern würde er die Hand seines Vaters wieder auf seiner Schulter spüren. Heute ist kein Tag für das Adagio, das weiß er. Seit einer halben Stunde erst sitzt er am Fenster, aber es geht ihm bereits ein bisschen besser. Draußen steht eine Menschenschlange nach Brot an. Es ist über eine Woche her, seit es auf dem Markt Brot zu kaufen gab, und er überlegt, ob er sich zu ihnen gesellen soll. Viele seiner Freunde und Nachbarn sind in der Schlange. Er entscheidet sich vorerst dagegen. Er muss noch eine Weile üben. Sie fauchte talwärts, spaltete mühelos Luft und Himmel. Ihr Ziel, durch Zeit und Geschwindigkeit näher gebracht, breitete sich aus. Einen Moment vor dem Aufschlag war zum letzten Mal alles so wie zuvor. Dann explodierte die sichtbare Welt. Als die Mörser die Philharmonie von Sarajevo zerstörten, kam es dem Cellisten so vor, als wäre er selbst in dem Gebäude, als würden die Ziegel und das Glas, die einst d Leseprobe