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Die Krise in Griechenland

Ursprünge, Verlauf, Folgen

Erschienen am 15.02.2015, 1. Auflage 2015
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593503080
Sprache: Deutsch
Umfang: 546 S.
Format (T/L/B): 3.2 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die Krise in Griechenland war viel mehr als eine bloße Finanzkrise. Die Autoren dieses Sammelbands widmen sich in 28 Beiträgen allen ihren wesentlichen Aspekten: Sie räumen mit auf die Antike fixierten Vorstellungen über das heutige Griechenland auf, gehen kritisch auf Mentalität und staatliche Strukturen in Griechenland ein und stellen Ansätze zur Lösung der Krise dar. Renomée und Herkunft der Autoren aus vier Ländern und den Fachrichtungen Geschichte, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Journalismus und Diplomatie garantieren dabei, dass die verschiedensten Sichtweisen berücksichtigt werden. Die leicht verständlichen Beiträge sind eine unersetzliche Quelle für alle, die sich ernsthaft und fundiert mit der Krise in Griechenland - ihren Gründen, Auswirkungen und Lösungsmöglichkeiten - befassen wollen. Das Buch wurde ausgezeichnet mit dem ITB BuchAward 2016 in der Kategorie 'Länderwissen - aktuell'

Leseprobe

Einleitung Wolfgang Schultheiß Als die Welt noch in Ordnung war Als ich 2005 den Posten des Botschafters in Athen antrat, war Griechenland im Aufwind. Es hatte nicht nur erfolgreiche Olympische Sommerspiele organisiert, die Fußballeuropameisterschaft und den Eurovision Song Contest gewonnen. Auch die griechische Wirtschaft boomte. Ihre Wachstumsraten lagen weit über dem europäischen Durchschnitt. Deutschland war das bei den Griechen beliebteste Land. Nicht nur, weil die siegreiche Fußballmannschaft von einem Deutschen trainiert worden war. In Griechenland lebten (und leben noch immer) etwa eine Million Griechen, also ein knappes Zehntel der Bevölkerung, die in Deutschland gearbeitet haben und nach durchweg guten Erfahrungen wieder nach Griechenland zurückgekehrt sind. Deutschland war - neben Italien - Griechenlands größter Handelspartner; 180 deutsche Tochtergesellschaften und Niederlassungen gaben dort 30.000 Menschen Brot und Arbeit. Es gibt das Deutsche Archäologische Institut in Athen, Goethe-Institute und Deutsche Schulen in Athen und in Thessaloniki. Mehr als zwei Millionen deutsche Touristen kamen jedes Jahr ins Land. Kurz: Die bilateralen Beziehungen zu Griechenland konnten kaum besser sein. Deutschgriechische Vergangenheit Die guten Beziehungen hatten auch historische Gründe. Der erste König des modernen Griechenland, Otto (1833-62), war ein bayerischer Prinz aus dem Haus Wittelsbach. Er und seine mitgebrachten bayerischen Berater legten die Grundlagen für Verwaltung, Streitkräfte und Universität. Und obwohl die Beziehungen zwischen Otto und den Griechen, die ihn nach 30 Jahren wieder nach Hause schickten, alles andere als spannungsfrei waren, blieben die kulturellen Verbindungen eng. Im Ersten Weltkrieg blieb Griechenland wegen der Sympathien König Konstantins für Kaiser Wilhelm zunächst neutral, doch trat es 1917 unter Ministerpräsident Venizélos auf der Seite der Entente in den Krieg ein. Auch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs versuchte Griechenland, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Doch vergebens. Als italienische Truppen im Herbst 1940 in Griechenland einfielen, wurden sie von den Griechen bis weit nach Albanien zurückgeschlagen. Hitler glaubte, seinem wichtigsten Verbündeten zu Hilfe eilen zu müssen, und ließ die Wehrmacht im April 1941 in Griechenland einmarschieren. Drei Jahre eines besonders blutigen Besatzungsregimes folgten. Auf die Befreiung von den Deutschen folgte der Bürgerkrieg (1946-49). Richard Clogg befasst sich in seinem Beitrag ausführlich mit dieser Zeit. Griechenland war eines der ersten Länder, die Deutschland nach dem Krieg die Hand zur Versöhnung reichten. Bundespräsident Heuss machte 1956 hier seinen ersten Staatsbesuch. Anfang der 1960er Jahre kamen die ersten griechischen Gastarbeiter nach Deutschland, gerade aus den Orten, die durch deutsche Zerstörungen ihrer Lebensgrundlage beraubt worden waren. Zur Zeit der Obristendiktatur (1967-74) fanden viele griechische Exilpolitiker Zuflucht in Deutschland. Der griechische Staatspräsident Károlos Papoúlias und der frühere Ministerpräsident Kóstas Simítis (1996-2004) gehören zu ihnen. Sie sind die bekanntesten Namen einer großen Gruppe politisch engagierter junger Griechen, die später in ihrem Land wichtige Positionen bekleiden sollten. Die gesellschaftliche Aussöhnung wurde dadurch politisch besiegelt. In Würdigung der Demokratisierung des Landes unterstützten Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt mit ihrem ganzen politischen Gewicht den Beitritt Griechenlands zur EG (1981). Ulf-Dieter Klemm geht in seinem Beitrag auf die Höhen und Tiefen der Beziehungen zwischen beiden Ländern ein. Im Spiegel der Medien Es war daher völlig überraschend, dass Deutschland 2010 bei den Griechen vom Spitzenplatz an das Ende der Beliebtheitsskala abstürzte. Das Zögern der Bundesregierung, Griechenland schon Anfang 2010 finanziell unter die Arme zu greifen, und ein veritabler Medienkrieg waren die Gründe dafür. Deutsche Medien zogen über die verschwenderischen "Pleitegriechen" her, die über ihre Verhältnisse gelebt, sich in die Währungsunion gemogelt und nun die Erwartung hätten, dass ihnen die sparsamen Deutschen aus der Patsche helfen würden. Griechische Medien warfen Deutschland vor, zu lange mit der Hilfe gewartet und die Situation dadurch drastisch verschlechtert zu haben. Sie vermuteten deutsches Hegemonialstreben und bildeten Bundeskanzlerin Merkel in SS-Uniform und mit Hakenkreuzbinde ab. Hans Bickes und seine Koautorinnen schildern das in ihrem Beitrag. Niemand konnte überzeugend erklären, wie es in den deutschen Medien und damit, wenn auch in geringerem Maß, in der deutschen Bevölkerung zu so einem Meinungsumschwung kommen konnte. Kaum ein deutsches Medium bemühte sich, ihn aufzuhalten. Auch Politiker nicht. In Berlin war man viel zu sehr auf die innenpolitische Seite der sich anbahnenden Krise fixiert. In Griechenland dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben, dass Deutschland gar nicht erst versuchte, der griechischen Öffentlichkeit die Gründe für sein Zögern zu erklären. Das hat sich bei den bilateralen Beziehungen bitter gerächt. Einer der in Griechenland kaum bekannten Gründe für die Zurückhaltung der Bundesregierung, den Griechen sofort mit Krediten zu Hilfe zu eilen, war die "no bail out-Klausel" des EU-Vertrags. Sie untersagt, einem EU-Partner unter die Arme zu greifen, wenn er in eine finanzielle Schieflage gerät. Einige Staaten mochten sich kühl über eine solche Vertragsbestimmung hinwegsetzten. Nicht aber Deutschland. Hier wachte das Bundesverfassungsgericht über ihre Einhaltung. Bekannte kritische Geister, die schon gegen den Maastricht-Vertrag geklagt hatten, warteten erklärtermaßen nur darauf, eine Finanzhilfe der Bundesregierung für Griechenland vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten. Das machte die Bundesregierung mit gutem Grund extrem vorsichtig. Erst als man sagen konnte, dass die Schuldenkrise in Griechenland eine Gefahr für die eigene Währung zu werden drohte, sah sich die Bundesregierung rechtlich und politisch legitimiert, Griechenland finanziell zu Hilfe zu eilen. Das geschah im Mai 2010, drei Tage vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen, was alle die nachdenklich stimmen sollte, die meinen, die Bundeskanzlerin habe ihre Hilfszusage nur wegen dieser Wahl so lange hinausgezögert. Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens den Eilantrag der Kläger wie später auch die Klage im Hauptverfahren abgewiesen; die "no bail out-Klausel" spielt seitdem in der Diskussion keine große Rolle mehr. Das Zögern der Bundesregierung hängt Deutschland in Griechenland aber immer noch nach; kein Grieche verschwendet einen Gedanken daran, welche Probleme aufgetreten wären, wenn die Hilfe der Bundesregierung für sein Land als verfassungswidrig erklärt worden wäre. Auch nicht an die Tatsache, dass sich Bundeskanzlerin Merkel gegen eine sich in der deutschen Bevölkerung herausbildende Mehrheit für eine Hilfe für Griechenland entschieden hat. Die negative Behandlung in der deutschen Presse war für die Griechen ein Schock. Bislang waren sie genau das Gegenteil gewohnt gewesen. Viele haben sich ratlos gefragt, worauf der Schwenk von kritikloser Sympathie zu unsympathischer Kritik in weiten Teilen der deutschen Presse zurückzuführen sei. Das Verkaufsprinzip "bad news sell" und eine gehörige Portion Selbstgerechtigkeit dürften eine Rolle gespielt haben, aber auch ein wenig enttäuschte Erwartung, um nicht zu sagen: Liebe. Griechenland war und ist das gelobte Land der Humanisten und ein Paradies für deutsche Touristen. Letztere hatten das scheinbar sorglose Leben unter der Sonne Griechenlands früher mit unkritischer Sympathie gesehen. Für viele Absolventen humanistischer Gymnasien, Altphilologen und weite Kreise des Bildungsbürgertums ersetzen Studium und Wertschätzung des antiken Griechenland Kenntnis und kritischen Blick auf das heutige. Alle wurden hart auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Einige wehren sich noch dagegen, indem s...

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