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Klima von unten

Regionale Governance und gesellschaftlicher Wandel

Erschienen am 06.11.2014, 1. Auflage 2014
39,90 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593500935
Sprache: Deutsch
Umfang: 383 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.4 x 14.1 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Der Klimawandel ist kein rein naturwissenschaftliches Thema. Gerade in den Sozialwissenschaften setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass klimatische Veränderungen alle gesellschaftlichen Ebenen betreffen, wobei vor allem auf regionaler Ebene besondere Handlungspotenziale liegen. Der Band erkundet, welche Chancen und Hindernisse für den lokalen Klimaschutz und die Klimaanpassung bestehen. Zugleich wird nach der Bedeutung von lokalen Wahrnehmungsmustern, Werthaltungen und Partizipationsmöglichkeiten im Kontext des Klimawandels gefragt.

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Autorenportrait

Stefan Böschen, PD Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITAS, Bernhard Gill ist Professor für Soziologie an der LMU, Cordula Kropp ist Professorin für angewandte Sozialwissenschaften an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften München, Katrin Vogel, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am WZU an der Universität Augsburg.

Leseprobe

Klima von unten - Zur Einführung Stefan Böschen, Bernhard Gill und Cordula Kropp Hinführung: Klimawandel - ist da ein Problem? Für die einen stellt der Klimawandel geradezu prototypisch das globale Problem dar (so: Beck 2007), das zu seiner Lösung größte Anstrengungen verlangt; diese Sicht inspiriert manche, eine "große Transformation" zu fordern (WBGU 2011). Für die anderen stellt der Klimawandel einen "großen Irrtum" dar, der auf überinterpretierten, wissenschaftlich nicht ausreichend gesicherten "Tatsachen" beruhe und dabei die ökonomische Weiterentwicklung hemme oder der ohne "große Transformation" von künftigen technischen Entwicklungen bewältigt werden wird. Zumindest lässt sich festhalten, dass sich bei der Thematisierung des Klimawandels viele Akteure zu Wort melden, unterschiedlichste Geschichten erzählt werden, komplexe institutionelle Verfahren - zum Beispiel das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) - aufgebaut wurden und in der Politik auf allen Ebenen seit nunmehr über vierzig Jahren über den richtigen Kurs zwi-schen Ignorieren und Bewältigen gestritten wird. Eines ist klar: Sollte sich zukünftig herausstellen, dass alle Anstrengungen eigentlich nicht notwendig gewesen wären, da sich das Problem weitgehend von allein erledigt hätte, dann möchte sicherlich niemand die Verantwortung für eine vergleichsweise immense Verausgabung von Ressourcen übernehmen. Andererseits: Sollte sich herausstellen, dass die Menschheit viel zu spät mit der Problembewältigung angefangen hat und ihr beim Lösen schließlich die Zeit davonläuft, dann möchte niemand dafür verantwortlich sein, den Lösungsprozess letztlich behindert zu haben. Diese Spannung entlädt sich in den vielfach schrillen Tönen der Debatte, die manchmal den Charakter eines Streites um Heilsgewissheiten annimmt. Letztlich werden in einem zugespitzten Sinne denn auch "letzte Fragen" verhandelt. In einer solchen Situation mag ein Hinweis auf einen Denker der Frühaufklärung, Blaise Pascal, hilfreich sein. Auch seine Zeit war geprägt von Kämpfen um Heilsgewissheiten, allerdings im strikt religiösen Sinne. Die Aussichtslosigkeit des Unterfangens, Gott wirklich erkennen zu können, brachte ihn zu seinem berühmt gewordenen Kalkül der Pascal'schen Wette. Danach war es rational, in jedem Fall ein gottgefälliges Leben zu führen. Wenn er existierte, dann wäre die Wette ohnehin aufgegangen. Aber selbst wenn er nicht existierte, dann hätte sich ein gottgefälliges Leben auch aus Gründen eines so vollzogenen guten Lebens gerechtfertigt. Insofern könnte man heute, nach vierzig Jahren des Glaubensstreits um den Klimawandel, gleichsam eine "Pascal'sche Wette zum Klimawandel" vorschlagen. Angenommen, der Klimawandel existiert, dann rechtfertigen sich im Nachhinein die Aufwendungen für seine Bewältigung. Ange-nommen, er existiert nicht, dann könnte auch ein den Anforderungen des Klimawandels "gefälliges" Leben sich durch die Fülle von Gewinnen für die Entwicklung moderner Gesellschaften rechtfertigen - viele der Anstrengungen zur Abmilderung des Klimawandels kommen auch dem lokalen Umweltschutz sowie der Unabhängigkeit in der Energieversorgung zugute. Dieses Buch ist deshalb in dem Sinne geschrieben, einer solchen "Pascal'schen Wette zum Klimawandel" zu folgen und hierfür analytische wie konstruktive Ansatzpunkte zur Diskussion zu stellen. Wie schon damals, so ist es auch heutzutage unwahrscheinlich, dass ein "(Gottes-)Beweis" die gewünschte Überzeugungskraft aufweist. Erstaunlich ist deshalb auf den ersten Blick die Fülle von Aktivitäten, die nicht mehr auf letzte Gewissheiten warten, sondern sich von der hinreichenden Möglichkeit des Klimawandels sowie von ohnehin sinnvoll erscheinenden Veränderungen in Gesellschaften inspirieren lassen. Während im Globalen noch vor allem über richtige und faire Wege gestritten wird, werden auf der lokalen oder regionalen Ebene viele Aktivitäten auf den Weg gebracht. Dass diese Aktivititäten "unten", das heißt auf subnationaler Ebene, erfolgen, ist vielleicht gar nicht so überraschend, weil hier nicht nur Auswirkungen des Klimawandels erfahren werden, sondern darüber hinaus ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten der Koordination von Aktivitäten existiert. Diese Entwicklung gilt es nicht nur sichtbar zu machen und auf diese Weise zur Nachahmung zu empfehlen, sondern es gibt gute Gründe, sie zu stärken und zu vertiefen. Dieses Buch verstehen wir deshalb als Anregung für die Vertiefung schon bestehender Entwicklungen sowie zur Öffnung neuer Entwicklungsoptionen. Dazu möchten wir in der Einleitung drei Argumentationsstränge entwickeln. Zunächst wollen wir darauf hinweisen, dass die Globalität der Problemlage dazu verführt hat, für ihre Analyse wie auch die Suche nach Lösungen vielfach auf der globalen Ebene anzusetzen. Zudem werden einseitige Arbeitsteilungen - wie die zwischen Natur- und Sozialwissenschaften - unterhalten, welche für das Verständnis von Klimawandelproblemen und sich vollziehenden gesellschaftlichen Transformationen hinderlich sind. Um zu einer Perspektive zu gelangen, welche die etablierten Begrenzungen zu überwinden trachtet, flaggen wir in einem zweiten Schritt fünf unterschiedliche Diskussionsfelder aus. Diese markieren nicht nur spezifische, analytisch-konzeptionelle Blickwinkel, sondern damit wollen wir zugleich auf das in diesem Band adressierte empirische Feld eingehen: die Alpen. Abschließend wollen wir in einem kurzen Schlussstatement darauf hin-weisen, dass die behandelten Fragen in der Summe auf das Problem einer "großen Transformation" (WBGU 2011) verweisen. Die Lösung des Klimawandelproblems wird kaum in den bisher etablierten Strukturen gelin-gen, vielmehr dürften im besten Sinne radikale, das heißt die Ursachen an ihren Wurzeln packende, Veränderungen erforderlich sein. Jenseits der globalen Dimension Mit Blick auf die globale Dimension des Problems erscheint es wenig verwunderlich, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die sozialwissenschaftliche Klimawandelforschung der Untersuchung globaler Strukturen und Prozesse einen großen Stellenwert beigemessen hat (vgl. zum Beispiel Hulme 2010). Einen zweiten Schwerpunkt nahmen Untersuchungen auf der Ebene individuellen Klimahandelns ein, die vielfach durch die fehlende Übereinstimmung zwischen artikuliertem Umweltbewusstsein einerseits und faktischem Umwelthandeln andererseits motiviert waren (vgl. Beyerl 2010; Bausch in diesem Band). Jedoch sprechen in der Zwischenzeit die Befunde eine deutliche Sprache: Obgleich der Klimawandel ein globales Problem darstellt, sind Koordinationsprozesse zu Klimaschutz und Klimaanpassung auf globaler Ebene oft blockiert und zugleich die individuellen Handlungsmöglichkeiten durch strukturelle Vorgaben begrenzt. In den Sozialwissenschaften setzt sich deshalb zunehmend die Erkenntnis durch, dass der Klimawandel alle gesellschaftlichen Ebenen betrifft und infolgedessen nicht allein die globale Ebene adressiert werden sollte, sondern die verschiedenen Ebenen in ihren spezifischen Qualitäten und Relationen (vgl. Ostrom 2012; Devine-Wright 2013). Daher nehmen in den letzten Jahren sozialwissenschaftliche Analysen zunehmend einen Blickwinkel "jenseits der globalen Dimension" ein. Ein wichtiger Treiber hierfür war die wachsende Erkenntnis im politischen Diskurs, dass man dem Klimawandel nicht mehr allein mit Strategien des Klimaschutzes (im Sinne der Verminderung des CO2-Ausstoßes) begegnen könne, sondern schon jetzt auf Anpassung an die Folgen des veränderten Klimas setzen müsse. Diese Folgen werden typischerweise lokal erfahren und müssen auch dort bearbeitet werden. Aus diesem Grund wenden sich sozialwissenschaftliche Analysen angesichts der globalen Blockadesituation vermehrt der Ebene des Nationalstaats oder der Regionen zu, da zu erwarten ist, dass noch unzureichend beachtete Handlungsmöglichkeiten für die Bewältigung des Klimawandels auf der regionalen Ebene liegen. Allerdings zeigen sich auch spezifische Begrenzungen dieser Herangehensweisen. ...

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