Beschreibung
Märchen öffnen Welten Märchen sind zeitlos und wollen immer wieder erzählt und gelesen werden. Sie gehören zu den Texten, die uns oft ein Leben lang begleiten. Die ELTERN Märchenedition versammelt die schönsten Texte in einer 10-bändigen Sammlerausgabe, in der jeder sein Lieblingsmärchen wiederfinden oder ganz neue, unbekannte Märchenschätze entdecken kann. Gehört hat irgendwann ja irgendwie schon mal jeder vom Gestiefelten Kater, von Rotkäppchen oder der kleinen Seejungfrau. Aber wer kann sich noch wirklich daran erinnern, warum die elf Brüder von Elise in wilde Schwäne verwandelt wurden oder wie Ali Baba die vierzig Räuber überlistete? Was früher selbstverständlich in jedes Kinderzimmer gehörte, lange Winterabende erst so richtig gemütlich und den Fernseher überflüssig machte, scheint heute - leider - ein bisschen aus der Mode gekommen. Dabei sind Märchen weder altmodisch noch langweilig und es ist längst an der Zeit, sie wieder aus ihrer staubigen Kellerecke ins rechte Licht des Bücherregals zu rücken. Und so erscheinen mit der großen Eltern-Edition in 10 Autoren- und Themenbänden bekannte und unbekannte, deutsche und fremdsprachige, lustige und traurige Märchen in einer einzigartigen Sammlung. Ein Märchenschatz, den jeder liest und liebt. Ob zum Vorlesen oder Selberschmökern, als Geschenk, zum Sammeln oder Weitererzählen. Die Edition wird wundervoll farbig ausgestattet von dem bekannten und renommierten Illustrator Dieter Wiesmüller und erscheint in einem praktischen und handlichen Format, das nicht nur gut in Kinderhände, sondern auch in jedes Bücherregal passt. Jeder Band erhält ein individuelles Vorwort und der Schuber eine zusätzliche Broschüre der Zeitschrift Eltern, in der die Frage beantwortet wird, warum Märchen heute noch wichtig sind.
Leseprobe
Die kleine Meerjungfrau Weit draußen im Meer ist das Wasser so blau wie die Blätter der prächtigsten Kornblume und so klar wie das reinste Glas, aber es ist außerordentlich tief, tiefer, als irgendein Ankertau reicht. Viele Kirchtürme müssten über-einandergestellt werden, um vom Grunde bis über das Wasser emporzureichen. Dort wohnt das Meervolk. Nun muss man aber nicht etwa glauben, dass dort der nackte weiße Sandboden sei. Oh nein, da wachsen die wunderbarsten Bäume und Pflanzen, die im Stängel und in den Blättern so biegsam und geschmeidig sind, dass sie sich bei der geringsten Wasserströmung wie lebendige Wesen bewegen. Alle Fische, kleine und große, schlüpfen zwischen den Zweigen hindurch, gerade wie hier oben die Vögel in der Luft. An der allertiefsten Stelle liegt das Schloss des Meerkönigs. Die Wände sind aus Korallen und die hohen, spitzen Fenster aus dem allerdurchsichtigsten Bernstein, das Dach ist mit Muschelschalen bedeckt, die sich nach der Strömung des Wassers öffnen und schließen. Das gewährt einen prachtvollen Anblick, denn in jeder liegen strahlende Perlen. Schon eine einzige würde ein herrlicher Schmuck in der Krone einer Königin sein. Der Meerkönig dort unten war seit vielen Jahren verwitwet, aber seine alte Mutter leitete den Haushalt. Sie war eine kluge Frau, jedoch sehr stolz auf ihren Adel, weshalb sie als Ordensschmuck zwölf Austern auf dem Schwanz trug, während sich andere Vornehme mit sechs begnügen mussten. Sonst verdiente sie alles Lob, besonders weil sie die größte Liebe zu den kleinen Meerprinzessinnen, ihren Enkelinnen, an den Tag legte. Es waren sechs bildschöne Kinder, aber die Jüngste war doch die schönste von allen, ihre Haut war so durchsichtig und fein wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie das tiefste Meer, aber wie alle anderen hatte sie keine Füße, der Körper ging in einen Fischschwanz über. Den lieben langen Tag konnten sie unten im Schloss in den großen Sälen spielen, wo lebendige Blumen aus den Wänden hervorwuchsen. Die großen Bernsteinfenster wurden geöffnet, und dann schwammen die Fische zu ihnen herein, gerade wie bei uns die Schwalben hereinfliegen, wenn wir die Fenster aufmachen. Allein die Fische schwammen zu den kleinen Prinzessinnen hin, fraßen ihnen aus der Hand und ließen sich streicheln. Draußen vor dem Schloss war ein großer Garten mit feuerroten und dunkelblauen Bäumen, die Früchte strahlten wie Gold und die Blumen wie glühendes Feuer, während sich Stängel und Blätter unaufhörlich bewegten. Die Erde selbst war der feinste Sand, aber blau wie eine Schwefelflamme. Über dem Ganzen ruhte ein eigentümlicher blauer Schimmer. Eher hätte man vermuten können, man stände hoch oben in der Luft und hätte nur Himmel über und unter sich, als dass man sich auf dem Meeresgrund befände. Bei Windstille konnte man die Sonne wahrnehmen, die wie eine Purpurblume aussah, aus deren Kelch alles Licht strömte. Jede der kleinen Prinzessinnen hatte ihr besonderes Plätzchen im Garten, wo sie nach Herzenslust und eigenem Gutdünken graben und pflanzen konnte. Die eine gab ihrem Blumenbeet die Gestalt eines Walfisches. Eine andere zog es vor, dass das ihrige einer Meerjungfrau glich; aber die jüngste machte das ihrige rund wie die Sonne und hatte nur Blumen, die rot wie diese schimmerten. Sie war überhaupt ein eigentümliches Kind, still und nachdenklich, und als die anderen Schwestern sich mit den merkwürdigen Sachen schmückten, die sie aus gestrandeten Schiffen erhalten hatten, wollte sie außer den rosenroten Blumen, die der Sonne da droben glichen, nur eine schöne Bildsäule haben, die einen wunderhübschen Knaben darstellte. Sie war aus weißem Marmor gehauen und beim Stranden auf den Meeresgrund gesunken. Die Prinzessin pflanzte neben die Bildsäule eine rosenrote Trauerweide; sie wuchs herrlich und hing mit ihren frischen Zweigen weit über die Säule weg bis auf den blauen Sandboden hinunter, wo der Schatten violett erschien und sich wie die Zweige unablässig bewegte. Es sah aus, als ob der