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Im Gehirn des Bösen

Die spektakulärsten Fälle eines Gerichtsgutachters

Erschienen am 12.05.2014
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492056199
Sprache: Deutsch
Umfang: 302 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 21.5 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Thomas' Mörder kam, als die Eltern auf einem Bowlingabend waren. Er stieg in das Haus ein und erstach den ahnungslosen 10-Jährigen in seinem Bett. Ohne Anlass, der Junge war ein zufälliges Opfer. Kann so jemand, nach Verbüßung einer mehrjährigen Haft, wieder freigelassen werden, oder müssen wir damit rechnen, dass er wieder mordet? Das muss Professor Kury entscheiden, der in diesem wie in vielen anderen dramatischen Fällen als Gutachter auftritt. Ob der Terrorist Christian Klar, ob Sexual- oder Gewaltverbrecher: Kury muss herauszufinden versuchen, was diese Menschen zu ihren Taten bewegt. Sind es Menschen, die durch eine einzelne Begebenheit aus der Bahn geworfen wurden, oder gingen sie gezielt und planvoll vor oder aber handelten sie ohne jeden erkennbaren Anlass? Und was bedeutet das für die Wiederholungsgefahr? Kury schildert präzise und farbig die Fälle und wie er sie eingeschätzt hat. Und er stellt Fragen, die alle Bürger bewegen müssen: Sind Strafen sinnvoll? Welche Strafen? Und wer schützt Menschen, die in die Mühlen der Psychiatrie gerieten, davor, dass sie für immer weggesperrt werden? Aber auch: Wer bewahrt uns vor falschen Gutachten und deren - möglicherweise - tödlichen Folgen?

Autorenportrait

Helmut Kury, geboren 1941, ist ein deutscher Psychologe und Kriminologe. Kury wurde 1974 an der Universität Freiburg promoviert und habilitierte sich 1984 ebendort. Er war erster Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen und anschließend Professor für forensische Psychologie in Freiburg sowie am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht tätig. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er als Gutachter im Zusammenhang mit der vorzeitigen Begnadigung von Christian Klar.

Leseprobe

In den Fällen, die ich beschreibe, wurden Orte (soweit sie überhaupt genannt werden), Namen und Berufe verändert - kurz: alles, was die Identifizierung eines Menschen ermöglicht. Mir ging es darum, in diesem Buch über die Wirklichkeit zu berichten, über Straftäter, ihre Biographien, ihre Wesensart, ihre Lebenswege vor, während und nach der Haft, die Frage, wie gefährlich sie (noch) sind - aber natürlich zugleich dafür zu sorgen, dass niemand mit seiner wahren Identität kenntlich gemacht wurde.     Thomas L.   Am ersten Maisonntag zieht der 17-jährige Thomas durch eine Waldschneise zwischen zwei Wohngebieten einer niedersächsischen Kleinstadt. Die Gegend ist ländlich. Es ist etwa 18 Uhr. An einer Wegkreuzung kommt Thomas ein Mädchen entgegen, sie schiebt ihr Fahrrad neben sich her, es geht etwas bergauf. Auf dem Gepäckträger hat sie eine Picknickdecke festgeschnallt. Thomas schätzt sie auf etwa 16 Jahre, sie hat lange Haare, trägt eine Jeans. Am Vortag hat er sie kurz auf dem Festplatz in der Stadt gesehen, auf dem gerade Schausteller gastieren. Mit ihren Freundinnen hatte sie am Autodrom angestanden. Sie hat ihm gefallen. Thomas geht auf das Mädchen zu und fragt sie, ob sie mit ihm zum Festplatz gehen wolle. 'Ich lad dich auf ein Bier oder eine Cola ein', sagt er. 'Nein', entgegnet sie ohne zu zögern. 'Ich muss nach Hause.' Sie steigt auf ihr Fahrrad, will an Thomas vorbei. Aber der hält sie am Arm fest. Er ist einen Kopf größer als sie. 'Komm doch mit. Lass uns was trinken gehen', sagt er noch einmal zu dem Mädchen, lässt sie nicht los. Ihre aufkommende Angst dringt nicht zu ihm durch, auch nicht, als sie sich aus seinem Griff befreien will und ihn anschreit: 'Geht's noch? Was glaubst du, wer du bist? Lass mich in Ruhe.' Sie greift nach seiner Schulter und versucht ihn wegzustoßen, ist jetzt in Panik. Das Fahrrad fällt zu Boden. Sie tritt nach ihm, windet sich. Thomas lässt nicht los. Mit der freien Hand zieht er aus seiner Hosentasche ein Butterfly-Messer, das er stets mit sich führt. Er rammt ihr die Klinge mit voller Kraft in die Seite. Das Mädchen fällt auf die Knie. Thomas sticht in schneller Folge weiter auf sie ein, in die Brust, die Oberarme, den Rücken. Als das Mädchen sich noch einmal aufzurichten versucht, sich von ihm wegdrehen will, rammt Thomas ihr das Messer ein letztes Mal heftig von hinten in den Oberkörper. Er trifft ihr Herz, es ist der tödliche Stich. Ihren Arm hält Thomas weiterhin fest, setzt sich für einige Minuten neben sie auf den Boden. Das Oberteil des Mädchens und ihre Hose sind blutverschmiert. Thomas hat Blutspuren an seinem Pullover und an seinen Händen. Schließlich löst er seinen Griff, steht auf und wirft das Messer, das neben ihm auf dem Waldweg liegt, hinter sich ins Gebüsch. Er zieht den toten Körper eine Böschung hinab und lässt ihn dort hinter einer Hecke liegen. Langsam geht er nach Hause.   Die Meldung vom Leichenfund geht bei der Polizei am Abend der Tat ein. Drei Jugendliche, die am Waldrand Fußball gespielt hatten, entdecken das Mädchen zufällig noch vor Einbruch der Dunkelheit. Sie haben die Blutspuren auf dem Weg gesehen, folgten den Schleifspuren den kleinen Hang hinunter und finden die Leiche. Sie rufen ihren Trainer herbei, der die Polizei verständigt. Einen Tag später hört Thomas in den Radionachrichten den Aufruf an mögliche Zeugen, sich bei der Polizei zu melden. Die ganze Stadt spricht von der Bluttat. Nathalie Reichhart, 14 Jahre alt - Thomas erfährt so den Namen seines Opfers. Und dass nach einem jungen Mann gefahndet werde. Am darauffolgenden Abend erwarten zwei Beamte der Personenfahndung Thomas in der Wohnung seiner Mutter. Wortlos und ohne Gegenwehr folgt er ihnen zum Wagen. Er wird zur Vernehmung gebracht, liest während der Fahrt den Haftbefehl, der ihm ausgehändigt wurde, leugnet zunächst alles. Doch ein Spaziergänger hat Thomas mit seinem blutverschmierten Pullover auf der Straße nahe dem Waldstück gesehen und eine präzise Täterbeschreibung abgegebe

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