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Wir sind daheim

Ein Versatzstück, D 2011, DVD-Video

Erschienen am 15.11.2014
24,80 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783943157758
Sprache: Deutsch
Einband: DVD-Box (für DVD oder CD/CD-ROM)

Beschreibung

Kammeroper von Moritz Eggert Text: Helmut Krausser nach einer Idee von Moritz Eggert Musikalische Leitung & Gesamtleitung: Prof. Wolfram Koloseus Inszenierung: Katharina Thoma Eine Produktion der Hochschule für Musik Mainz 2011 "Daheim" zu sein: ein Zustand, der uns erstrebenswert scheint. Wir umgeben uns mit Dingen, die uns vertraut sind. Wir schaffen uns einen Tagesablauf, der sich möglichst ähnelt, der möglichst wenig Überraschungen enthält (und damit - psychologisch gesehen - die Lebenszeit verkürzt). Auch unsere Gesellschaft schafft sich immer wieder ein Zuhause, eine Bestätigung des kollektiven Wir-Gefühls, das sich vom bevorzugten Essen bis zur gehörten Musik eine gemeinschaftliche, bei aller scheinbaren Verschiedenheit ähnliche Ausrichtung sucht. Jede Art von Kultur beschäftigt sich zu 99% mit der Wiederaufbereitung von Bekanntem, und je mehr eine Kultur vom Wunsch nach Lustgewinn für möglichst Viele dominiert wird, desto langsamer sickert das 1% Neue in unser Bewusstsein. Uns hat es gereizt, diesen Wunsch nach scheinbarer Sicherheit, diese Sehnsucht nach dem "Daheimsein" auf bösartige und komische Weise musikalisch zu behandeln. Wir bedienten uns dabei der etabliertesten und vielleicht auch bürgerlichsten Kunstgattung überhaupt: der Oper. Unser "Versatz"-Stück "Wir sind Daheim" handelt von drei Personen, zwei Männern und einer Frau, die vor irgendeinem obskuren Desaster in eine Art Bunker oder Keller fliehen. Schnell stellt sich heraus, dass sie dort Gefangene sind. Allzu willig geben sich die drei diesem Terror hin. Schließlich gibt es in dem Keller viel zu entdecken: wie in einem alten Opernfundus stolpern sie über Kostüme und Requisiten. Die drei Menschen bleiben erstaunlich passiv, denn schließlich ist man daheim, und das ist wohl auch gut so (die Frau schlägt sogar vor, man solle, obwohl sich eigentlich untereinander wildfremd, leben "wie eine Familie"). Auch ist man sich nicht sicher, "ob draußen Tag herrscht oder Nacht, oder immer nur der Wahnsinn". Im Keller dagegen gibt es nur einen möglichen Schrecken für die Protagonisten: die Langeweile. Und diese wird ihnen vertrieben. Die Stimme provoziert die Frau, die beiden Männer als potentielle Liebhaber gegeneinander auszuspielen. Was wie ein Spaß beginnt, wird schnell Ernst und zum Kampf zwischen den beiden Männern. Von diesem Kampf handelt unser Stück. Doch das eigentliche Grauen des "Daheimseins" offenbart sich erst am Schluss, nach dem scheinbaren Happy End. Auch in der Musik geht es um ironischen Umgang mit Dagewesenem (schließlich ist einem der "Plot" aus Stücken wie "Geschlossene Gesellschaft" von Sartre auch nicht unvertraut). Die Sprache der Sänger ist die des traditionellen Operngesanges, die Sprache der Musiker (sechs Instrumentalisten) ist eher die der modernen Rock- oder Popmusik, was für mich als Komponisten eine reizvolle Herausforderung darstellte. Denn schließlich ist ja die heutige Popularmusik genauso in Konventionen und "Versatzstücken" gefangen, wie man es einst der guten alten Oper vorwarf. Wenn ich direkte Vorbilder für dieses Stück nennen müsste, so wären dies zwei Stücke: "Histoire du Soldat" von Igor Strawinsky und "Studio Tan" von Frank Zappa. Strawinsky gelingt es in seinem Stück, damalige Popularmusik auf eine gleichzeitig ironische wie persönliche Weise einzusetzen. Sie wird sozusagen "strawinskysch" anverwandelt. Entstanden ist ein merkwürdiger Zwischenstil, fast eine Art Parallelweltmusik, denn einen Tango wie in der "Geschichte vom Soldaten" hat man sicherlich noch nie gehört (und wird ihn auch nie wieder hören). "Studio Tan" von Zappa ist dagegen eines seiner extremsten und schnellsten Werke: fast jede Sekunde wechselt er hier Stil wie Tonfall auf virtuose Weise. Seine Sprache ist die Rockmusik, doch wird gerade deren inhärente Spießigkeit schonungslos offengelegt. Kurzum: wenn unser Stück "Wir sind Daheim" ein Bonbon wäre, er wäre mit Senf gefüllt. (Moritz Eggert, 5.3.1998)

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