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Im Angesicht des Manaslu

Speedbergsteigen in der Todeszone

Erschienen am 14.04.2014, 1. Auflage 2014
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783890294469
Sprache: Deutsch
Umfang: 264 S., 62 farbige Illustr., 62 Illustr.
Format (T/L/B): 3.2 x 22 x 14.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Autorenportrait

Benedikt Böhm, 1977 in München geboren, bezwingt Achttausender so kompromisslos wie kaum ein anderer. Er wuchs mit fünf Geschwistern auf und ist seit seinem zehnten Lebensjahr Leistungssportler. 2003 bis 2006 war er Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft im Skibergsteigen. Er hat in Massachusetts und Oxford studiert und arbeitet als Geschäftsführer des Skitourenausrüsters Dynafit. 2012 war er am Manaslu, als eine Lawine mehrere Menschen begrub. Er half bei der Bergung der Überlebenden. Darüber erschien auch sein Film »7 Tage im September«. www.benediktboehm.de

Leseprobe

Vorwort   Mir ist durchaus bewusst, dass mein Sport nicht nur Freunde hat. Was die einen beeindruckt, ist für andere ein sinnloser und eitler Egotrip, der billigend den Verlust des eigenen Lebens in Kauf nimmt. Ich bin allerdings weder lebensmüde, noch fühle ich mich als bewundernswerter Held oder als rücksichtsloser Egoist.   Seit ich denken kann, war ich in Bewegung. Mit elf Jahren entflammte meine Leidenschaft für den Leistungssport. Ich entdeckte meine Begabung und habe sie als großes Geschenk empfunden. In den folgenden Jahren habe ich erfahren, dass es Willen und viel Disziplin erfordert, aus seinen Anlagen etwas zu machen. Ich habe gelernt, mich auf das zu konzentrieren, was ich habe (statt das zu wollen, was ich nicht habe), und meinen eigenen Weg zu gehen (statt den von jemand anderem). Mich treibt nicht Ehrgeiz an, es ist vielmehr die Liebe zu diesem Sport und die Sehnsucht nach Bewegung in einer Welt der Ruhe, Ausgeglichenheit und Einsamkeit. Ich bin sehr dankbar für mein Talent und möchte gern das Beste daraus machen.   Die Befriedigung und das Glück, das die Berge und mein sportliches Weiterkommen in mir auslösen, wünsche ich jedem Menschen. Ich glaube, es ist nie zu spät, sich auf den eigenen Weg zu begeben.   Manaslu, 23. September 2012, 4.45 Uhr Ich glaube, jeder von uns hatte Angst vor dem, was uns hier auf 6500 Meter Höhe erwarten würde, und die noch herrschende morgendliche Dunkelheit verunsicherte uns zusätzlich. Das Einzige, was wir sahen, waren einige hektisch flackernde Taschenlampenlichter auf der Höhe von Lager 2 unter uns und von Lager 3 über uns. Als wir am Fuße der berüchtigten Hangflanke ankamen, auf der die Lager aufgeschlagen waren, war das Erste, was im Lichtkegel unserer Stirnlampen auftauchte, ein einzelner Schuh, so ein Daunenüberschuh, wie man ihn nur im Zelt zum Wärmen der Füße trägt. Das war der Moment, in dem jedem von uns klar wurde, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.   Start Daheim, Frühjahr 2012 Es ist fünf Uhr morgens. Die Sonne hat gerade den Horizont überschritten und schickt mir ihre wärmenden Strahlen als Morgengruß ins Gesicht. Ich stehe ausgepowert, aber sehr zufrieden auf dem Gipfel der Alpspitze. Um mich herum schimmert das Panorama meiner geliebten Alpen in unschuldigem, zartem Rosa. Ich genieße den Moment in vollen Zügen und bin einfach nur glücklich. Wenn mein Tag so beginnt, kann mich kaum noch etwas aufregen, selbst einen Einkaufsbummel am Samstag ertrage ich danach gelassen! Und unter der Woche schaffe ich es locker bis um neun Uhr zurück nach München in mein Büro, oder ich bin ohnehin auf der Durchreise, da ich beruflich viel in den Alpen unterwegs bin. Sooft es mir möglich ist, absolviere ich dieses Trainingsprogramm: Frühmorgens - oder auch spätnachts - schleiche ich mich leise aus der Münchner Wohnung, um Frau und Sohn nicht zu wecken, und fahre in die nahe gelegenen Alpen. Für die lange Runde mit 2600 Höhenmetern auf die Alpspitze brauche ich 3,5 Stunden. Vor großen Expeditionen mache ich diese Runde oft zweimal hintereinander. Auch aus diesem Grund gehe ich lieber zu Zeiten, wo außer mir niemand unterwegs ist, denn begegne ich einem anderen Skitourengeher, kann es passieren, dass ich dem gleich viermal über den Weg laufe. Das erste Mal überhole ich ihn beim ersten Hochgehen, das zweite Mal komme ich ihm abfahrend entgegen, das dritte Mal überhole ich ihn beim zweiten Hochgehen und das vierte Mal wieder abfahrend. Da bleibt ein ungläubiges 'Ja, des gibt's doch net! Du warst doch grad ebn scho amoi do!' oder 'Ja, servus, des wiavuite Moi is'n heit scho, Bene?' nicht aus. Ich schätze diese anerkennende bayerische Kontaktaufnahme, aber meist bin ich bei diesen Trainingseinheiten so in mich und meinen Rhythmus versunken, dass ich auf Gespräche keine Lust habe.   Um das, was ich mir vorgenommen habe, zu schaffen, werde ich in den nächsten Monaten Zigtausende an Höhenmetern bergauf und bergab zurücklegen. Ich werde Gipfel besteigen, die mir alles

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