Beschreibung
Meine Kampfansage an die Magersucht »Es gab für mich 12 Jahre lang nichts als meine Magersucht. Morgens stand ich auf, nur um Kalorien zu verbrennen. Liegen bleiben war keine Option. Was, wenn ich eines Morgens einfach nicht mehr aufwache? Der Gedanke daran hat mich nicht erschreckt - dann wäre zumindest endlich alles vorbei Die furchtbare Leere, der Selbsthass, die Verzweiflung, die Ohnmacht.« Sie galt als chronisch krank und austherapiert. Schnörkellos und ohne Kompromisse berichtet Lea von ihrer Essstörung. Von der täglichen Tortur, der Scham und dem Hass gegen sich selbst. Von der Hoffnungslosigkeit und von der Ausweglosigkeit. Sie wog nur noch 27,1 Kilogramm, hatte einen BMI von 9,9 und wurde über eine Magensonde ernährt. Die porösen Knochen brachen, der körperliche Verfall schritt voran. Sie verlor den Kontakt - nicht nur zu ehemaligen Freunden, auch zu den Eltern und ihrem Bruder. Die Familie drohte unter dem Terror der Essstörung zu zerbrechen. Lange Jahre schien keine Besserung in Sicht. Was bliebe, wenn sie die Krankheit losließe? Das war die alles beherrschende Frage. Doch ihr gelang, was keiner mehr für möglich hielt. Schritt für Schritt, ganz langsam und behutsam, tastete sie sich aus der Krankheit heraus. Sie lernte erneut zu leben, zu lachen und zu lieben. Heute kann Lea offen zu ihrer Vergangenheit stehen. Sie weiß, was sie durchlebt und was sie daraus gelernt hat. »Die Magersucht, sie war der größte Fehler meines Lebens. Sie hat mich meiner Jugend beraubt und meiner Gesundheit. Sie hat mein Leben diktiert, mich entmündigt. Sie hat meinen Selbstwert zu Boden getreten und ist darauf herumgetrampelt.« Mit Einblicken in die Krankenakten der insgesamt vier Klinikaufenthalte, die eindrücklich die Diskrepanz zwischen der Eigen- und der Fremdwahrnehmung einer Suchterkrankten widerspiegeln.
Autorenportrait
LEA GERICKE, geboren im Juli 1988, litt mehr als 12 Jahre unter einer Magersucht. Die Berlinerin wuchs behütet in einem intakten Elternhaus auf und erlebte eine sorgenfreie Kindheit. Und trotzdem rutschte sie ab. Tief in eine Essstörung hinein, die sie fast das Leben kostete. Sie verlor viele kostbare Jahre und ihre Gesundheit - aber nicht die Liebe zum Leben. Durch ihren unerschütterlichen Optimismus und ihre starke Persönlichkeit kämpfte sie sich zurück. Heute engagiert sie sich aktiv in der Selbsthilfe und steht für die Belange und die Bedürfnisse von Betroffenen ein. Instagram: @ana_dismissed Web: www.anadismissed.de
Leseprobe
Gestern noch war sie Herr der Lage, konnte tun und lassen, was sie wollte. Jetzt liegt sie hier, darf das Bett nicht verlassen. Wird vollgepumpt mit Biosorb: 2 kcal/ml. Die Wochen zuvor ein täglicher Wettstreit. Nicht an gestern denken, nicht an morgen, nicht an heute - irgendwie. Zweimal die Woche morgens zum Wiegen. Jedes Mal eine Tortur. Es darf nicht mehr geworden sein! Es darf nicht weniger geworden sein. Diese zwei Tage der Woche, an denen gewogen wird, beherrschen ihr Leben. Oder besser ihre Existenz? Ist das noch ein Leben? Sie lebt ihr Leben nicht. Sie existiert, vegetiert. Suizidgedanken? Keine konkreten Pläne - aber sollte sie eines Morgens nicht mehr aufwachen. Wen kümmert es. Wie viel leichter wäre alles. Sie ist lebensmüde, ja. Müde davon zu leben. Aber es ist nicht dasselbe wie ein Suizid. Versteht ihr, was ich meine? Anfang des Jahres ging sie wenigstens noch zur Schule. Wenn auch nur verkürzt, für ein paar Stunden am Tag. Aber auch dafür reicht die Kraft nicht mehr.