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Rasmussens letzte Reise

Roman

Erschienen am 26.07.2010
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783813503319
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 3.3 x 22 x 14.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Spannende Weitererzählung einzelner Schicksale aus 'Wir Ertrunkenen' Der geachtete Marinemaler Carl Rasmussen aus Marstal bricht 1893 nach Grönland auf. Er will noch einmal die Kraft spüren, die ihn vor vielen Jahren in der Eiswüste durchströmte und ihn die Seele seiner Malerei erkennen ließ. Doch im Licht des Nordens begreift er, dass er seine Unschuld längst verloren und seinen Erfolg auf Lebenslügen gebaut hat. Mitte des 19. Jahrhunderts bricht der junge Carl Rasmussen zu einer Studienreise nach Grönland auf. Er ist der erste dänische Maler, der sich in die Eiswüste wagt und das Leben der Eskimos in seinen Bildern festhält. Hoch oben im Norden fasst er den Entschluss, gegen alle Hässlichkeit fortan nur noch 'Schönes' zu malen, denn mit seinen Bildern will er Menschen zusammenführen. Nach seiner Rückkehr lässt er sich auf der Insel Æro nieder und heiratet. Nur - glücklich wird er nicht. Je mehr Freunde seine Malerei findet, desto größer werden seine Selbstzweifel. Hat er sich ans Idyllische verkauft? Ist er ein harmloser Freilichtmaler geworden? Als alternder Mann reist Carl Rasmussen noch einmal nach Grönland, auf der Suche nach dem verlorenen Leben.

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Knaus, Albrecht Verlag Penguin Random House Verlagsgruppe Gm
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Leseprobe

Das große, kräftige Pferd, das hoch über der geöffneten Luke von einer Seite zur anderen pendelte, trat ins Leere. Die Flanken des Schimmels zuckten wie nach einem ermüdenden Lauf. Als er in die Lukenöffnung blickte, um den sicheren Boden wiederzufinden, zeichneten sich dicke Adern ab, die an der schweißglänzenden Haut des Halses pochten. Vor dem entblößten Gebiss stand Schaum. Die schweren Hufe stampften in Panik durch die Luft. Dann verdrehte das Tier die Augen, bis das Weiß sichtbar wurde, und ein Schwall von flüssigem Kot entlud sich, während sich aus dem gewaltigen, herunterhängenden Glied Urin ergoss. Der Lademeister, der von Deck aus das Dampfspill dirigierte, brach in lautes Fluchen aus und befahl, den Ladebaum über die Reling zu ziehen, damit das zu Tode erschrockene Tier sich in das trübe Hafenwasser entleeren konnte. Das Pferd wieherte nicht, als es das Wasser unter sich sah. Der Laut, der aus dem zitternden Maul kam, klang wie von einem Menschen, der aus tiefster Verzweiflung aufschreit. Der Schrei rollte durch den Hafen, bevor er von den Speicherhäusern am Asiatisk Plads zurückgeworfen wurde. Ein Schwarm Spatzen, die sich in der Havnegade um einen Kuhfladen versammelt hatten, flog erschrocken auf. Carl Rasmussen wandte das Gesicht ab. Abschied Die Besatzung der Peru kam am frühen Morgen mit rotgesprenkelten Gesichtern an Bord. Bei einem großen, gebückt gehenden Mann, der einen tief in die Stirn gedrückten Bowlerhut trug, sammelte sich Schweiß in den schweren Augenbrauen, von dort aus lief er weiter über die Wangen, bis er sich schließlich in den einen Tag alten Bartstoppeln verfing. Die Seeleute trugen Seesäcke über den Schultern; sie gingen in die Knie und schwankten, als einer nach dem anderen an Deck sprang. Als müssten sie sich an ein unruhig schaukelndes Schiff erst gewöhnen. Doch die Peru lag noch immer vertäut am Kai. Es würden einige Stunden vergehen, bevor der Bugsierdampfer auftauchte und sie auf Reede schleppte. Es war die nächtliche Sauftour, die den Männern in den Knochen steckte. Von Nyhavn aus hatte man sie auf die gegenüberliegende Seite der Hafeneinfahrt übergesetzt, und bei dem einen oder anderen lugte noch der Hals einer Bierflasche aus den tiefen Taschen der Moleskinhosen. Ihre Seetauglichkeit hatten sie sich beim Arzt bereits bescheinigen lassen. Auf der Reede erwartete sie ein weiterer Arztbesuch, bevor die Peru Kurs nach Norden nahm. Der Arzt sollte die Besatzung nun auf ansteckende Krankheiten untersuchen, die sie möglicherweise auf die Reise mitnahmen. Wenn die Männer das nächste Mal ihre Füße an Land setzten, würde dieses mit Eis bedeckt sein und hoch über ihnen würde eine gnadenlose Sonne hängen, die ihnen weder bei Tag noch in der Nacht Ruhe gönnte - als wäre sie an der Himmelswölbung festgenagelt. Sie hatten lange und ausdauernd von der Dunkelheit getrunken, bevor sie das Deck der Peru betraten. Der Steuermann war ein kleiner drahtiger Mann, der, mit in den Nacken geschobener Mütze, an der Achterluke stand. Jedes Mal, wenn er eine Flasche erspähte, sprang er mit einem Wutanfall auf den Neuankömmling zu. 'Du verfluchter Trunkenbold, glaubst du etwa, du hättest in einem Wirtshaus angeheuert?', brüllte er mit einer Stimme, die aus einem Paar riesiger Lungen zu kommen schien, die nicht recht zur Größe seines Brustkastens passen wollten. Sein Gesicht, über dessen Wangen und die vorspringende Nase sich kreuz und quer Narben spannten, verzog sich zu unerwarteten Mustern. 'Wenn du das nächste Mal auch nur daran denkst, an einer Bierfasche zu nuckeln, setz ich dich auf dem nächsten Eisberg ab.' Er riss die Flasche aus der Tasche des Sünders, der den Kopf einzog, als erwartete er einen Schlag, und schleuderte sie mit einer geübten Handbewegung über die Reling. Mit einem Plumps landete die Flasche im dreckigen Hafenwasser, wo sie einen Augenblick vor sich hin dümpelte und dann Kurs auf die Mitte der Hafeneinfahrt nahm. An der Landetreppe hakte der Zahlmeister