Beschreibung
Doch sind mit den in diesem Buch geschilderten Naturprodukten auch die Vielfalt geschwunden und das Abenteuer aufregender, intensiver kulinarischer Erlebnisse. Man kann die Region, in der man lebt, kaum noch - schmecken. Eine Entwicklung, die immer mehr Produzenten dazu bringt, sich mit dem Erhalt alter Tierrassen und Pflanzensorten zu beschäftigen. Auf der Suche nach diesem neu zu entdeckenden Reichtum ist Sabine Herre durch ganz Deutschland gereist. Sie hat Obstbauern und Bierbrauer, Käser und Metzger, Schnapsbrenner und Essigmacher besucht, die noch immer (und immer mehr) traditionelle regionale Spezialitäten herstellen: Backsteinkäse auf einer Alpe im Allgäu, Schneckenplantagen im Schwäbischen und "Eßbare Landschaften " in Vorpommern - zum Versand von Blüten und Wildkräutern in alle Welt. Angesammelt haben sich auf dieser Reise auch Rezepte - bodenständige Gerichte, wie sie die Menschen in den Regionen gern kochen. Anschaulich und präzise recherchiert zeigt die Autorin, was wir einmal hatten und leicht wieder haben könnten. Eine detaillierte Adressenliste macht dieses liebevoll ausgestattete (Geschenk-)Buch komplett.
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Autorenportrait
Sabine Herre ist als Redakteurin bei der "taz" für die Berichterstattung über Politik und Reform der Europäischen Union zuständig. Sie schreibt aber immer wieder über Kulinarisches - besonders auch über die Slow Food-Bewegung.
Leseprobe
Rettet dieMoorschnucke! Esst sie!Eine Einleitung Nein, dies ist kein weiteres Buch über die Krise der deutschen Esskultur. Hier gibt es kein Wehklagen über Schnäppchenfleischjäger, keine neue Analyse des Rinderwahns, und auch übergewichtige Kinder sind kein Thema. Ebensowenig wie die große Politik. Es geht in diesem Buch nicht um die Reform der EU-Landwirtschaft und auch nicht um die eingeleitete rot-grüne Ernährungswende. Wenngleich all dies auf den folgenden Seiten natürlich immer wieder vorkommt. Denn die fast unglaubliche Tatsache, dass immer weniger Deutsche wissen, was sie noch essen können, ist zugleich die Ursache für etwas völlig Neues in der deutschen Landwirtschaft. Will man etwas euphorischer sein, könnte man auch sagen: Hier geht es um einen Aufbruch. Ein Aufbruch, der mit einem Schwein begann. Hessental bei Schwäbisch Hall, 18. Januar 1986. Rund zwanzig Bauern der Region sind zusammengekommen, um die »Züchtervereinigung Schwäbisch-Hällisches Schwein« zu gründen. Sie haben genug von einer Landwirtschaft, in der die Schweine in immer größerer Zahl in immer kürzerer Zeit groß werden. Sie wollen nicht länger verantwortlich sein für ein Schweinefleisch, das immer billiger wird und immer schlechter schmeckt. Daher haben die Hohenloher Bauern sich entschlossen, Schweine einer alten Haustierrasse zu züchten. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Schwäbisch- Hällischen Schweine, die die Haller wegen ihres schwarzen Kopfes auch Mohrenköpfle nennen, das landwirtschaftliche Premiumprodukt der Region. Doch nun galten sie seit fast zwanzig Jahren als ausgestorben weil sie angeblich zu viel Fett hatten. Nur einige wenige Schweine hatten auf zwei Bauernhöfen im Hohenlohischen überlebt. Die schlauen Schwaben waren die ersten, denen es gelang, eine alte Haustierrasse in großer Zahl und mit wirtschaftlichem Erfolg zu züchten. Doch sie sind schon lange nicht mehr die einzigen. Im niedersächsischen Diepholz schlossen sich mehrere Schäfereien zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, um die vom Aussterben bedrohte Moorschnucke zu retten. Im Schwarzwald bemühen sich die Bauern um die Erhaltung des Hinterwälder Rinds, das dank seiner geringen Größe nicht nur auf den steilen Berghängen weiden kann, sondern auch noch gut schmeckt. Bei Fulda werden nicht länger amerikanische Regenbogenforellen, sondern Rhöner Bachforellen gezüchtet. In der Eifel gibt es wieder Flusskrebse, an der Donau Donaulachse, in Thüringen Waldziegen
Bereits im Dezember 1981 war im niederbayerischen Rottal die »Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen«, kurz GEH, gegründet worden. Sie zählt heute 2200 Mitglieder, über 70 sogenannte »Arche- Höfe« kümmern sich um den Erhalt der rund 90 Haustierrassen, die derzeit in Deutschland vom Aussterben bedroht sind. Doch nicht nur Tiere, auch alte Pflanzensorten sind gefährdet. Nach Schätzung der Welternährungsorganisation sind in den letzten hundert Jahren 75 Prozent unserer Kulturpflanzen verloren gegangen. Am bekanntesten ist sicher der Fall der Kartoffelsorte Linda, die ihre Züchter aus ökonomischen Gründen vom Markt nehmen wollten und die nun von einem Freundeskreis »Rettet Linda« verteidigt wird. Der Tausch von Samen alter Tomatensorten hat sich inzwischen fast zu einer konspirativen Tätigkeit entwickelt, denn das strenge bundesdeutsche Sortengesetz verbietet den Anbau von allem, was nicht offiziell zugelassen ist. Gegen den Schaumwein aus der Champagner-Bratbirne, einer Obstsorte, die schon seit Jahrhunderten auf der Schwäbischen Alb angebaut wird, klagten die französischen Champagnerhersteller. Sie sorgten sich um die geschützte Bezeichnung ihres Produkts und bekamen Recht. Unzählige Vereine und Initiativen unterstützen den Erhalt und die Vermehrung der alten Obst- und Pflanzensorten. Viele taten dies zunächst aus rein idealistischen Motiven, geht es doch um die Erhaltung der bedrohten Biodiversität. Doch inzwischen gibt es auch noch einen anderen Grund für das Engagement. Man hat gemerkt, dass die Diepholzer Gans oder das Teltower Rübchen, der Rote Weinbergpfirsich und Oberpfälzer Dinkelbier sehr viel besser schmecken als die Produkte unserer industrialisierten Landwirtschaft. Denn bei ihrer Herstellung werden vier Prinzipien berücksichtigt, die sich mit den Worten »langsam, schnell, kurz, lang« zusammenfassen lassen. Die Tiere werden langsam groß, sie werden sofort nach der Schlachtung verarbeitet, nur wenige Kilometer transportiert und haben lange Zeit zum Reifen. Bestes Beispiel dafür ist die Ahle Wurscht, die in Nordhessen aus ganzen, noch schlachtwarmen sogenannten Wurstschweinen hergestellt wird und bis zu neun Monate reift. Von allen diesen Geschmackserlebnissen berichtet dieses Buch. Es ist eine Reise quer durch Deutschland, die im Alpenvorland beginnt und in Ostfriesland endet. An ihrem Anfang stehen die ältesten deutschen Spezialitäten, die seit Jahrhunderten in Klöstern erzeugt werden und zur Zeit einen Boom erleben. Den Abschluß bildet der Besuch bei einem wissenschaftlichen Projekt, in dem der Frage nachgegangen wird, welche Zukunft regionale Spezialitäten haben. Und natürlich gibt es zu den vorgestellten Produkten auch Rezepte. Denn das Motto all derjenigen, die alte Tierrassen und Pflanzensorten retten wollen, lautet: Erhalten durch Aufessen. [...]
Inhalt
Rettet die Moorschnucke! Esst sie!Eine Einleitung Im Alpenvorland Biertreberbrot, Doppelbock und Kräutergeist: Die ältesten deutschen Spezialitäten kommen aus Klöstern Freie Bahn für den Huchen: Nach dem Rückbau von Staustufen kehrt der beste der Lachsfische in die Donau zurück Käse von geleasten Kühen oder: Wie die Allgäuer Bergbauern heute arbeiten Kochen mit Heu oder: Warum Alpenkräuter nicht allein den Kühen überlassen werden sollten Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb Umweltschutz mit Messer und Gabel: Wie das Hinterwälder Rind gerettet wurde Die Knolle der Eingeborenen oder: Mit Topinambur genussreich abnehmen Rückkehr mit 3,5 Metern pro Stunde: Auf der Schwäbischen Alb gibt es wieder Weinbergschnecken Champagner aus einer Bratbirne? Oder: Warum ein Obstbauer aus Göppingen erfinderisch sein muss Von Hohenlohe nach Franken Auf dem Distelhäuser Genießermarkt oder: Die hartnäckigen Bauern aus Hohenlohe-Franken Weißer Speck vom Schwäbisch-Hällischen Schwein oder: Wie eine bäuerliche Genossenschaft auch international erfolgreich sein kann Rauch, Kräusen, Dinkelbier: Oberfranken ist Deutschlands Bierregion Nummer eins Den Rhein entlang Weißer Heunisch und Blauer Elbling: Pfälzer Wissenschaftler finden bei Heidelberg vom Aussterben bedrohte Rebsorten Sauer macht gesund: Essige vom Doktorenhof in der Pfalz Schwarze Krim, Weiße Schönheit, Grünes Zebra: Wie Sie alte Tomatensorten ganz einfach erhalten können Auf der Suche nach einem deutschen Bresse-Huhn oder: Warum der Bergische Kräher besser kräht als schmeckt Im Tal derMosel Die Terroiristen kommen oder: Die Renaissance des Riesling begann in den USA Mit Slow Food in der Eifel oder: Krebse aus dem Kloster der Zisterzienser Rosa Blüten oder: Die schwierige Rückkehr des Weinbergpfirsichs an die Mosel In und um Westfalen herum Süßes Brot, in Wasserdampf gegart: Wie echter Pumpernickel entsteht Reif nicht nur fürs Museum: Das Bunte Bentheimer Schwein und seine Schinken Zurück zum alten Altbier: Was Pinkus Müller, erste Biobierbrauerei der Welt, für die Zukunft plant Zwischen Rhön und Thüringer Wald Luftgetrocknet, alt und voller Schimmel: Die Ahle Wurscht ist ein Wahrzeichen von Nordhessen Vom Wettkampf mit einem amerikanischen Turbofisch oder: Kehrt die Bachforelle in die Rhön zurück? Für die »grobe Speiß im Magen«: Senf aus der Mühle von Kleinhettstedt Gegen die Inzucht in Thüringen oder: Bockwurst und Frischkäse von der Waldziege Rund um Berlin Alles Bio oder was? Vom Boom regionaler Produkte in Brandenburg Speisen wie zu Goethes Zeiten oder: Teltower Rübchen wachsen nur in Teltow Ein Brand aus der Sächsischen Quitte: Wie man alte Streuobstwiesen erhalten kann An die Ostsee Wo Landschaften essbar werden: Zitronenkatzenminze und Sauerampfer aus Vorpommern Kaviar aus der Aquakulturanlage: Wie man einen fast ausgestorbenen Fisch zu neuem Leben erweckt Nicht nur Linda muss gerettet werden oder: Wie Saatgutkonzerne alte Kartoffelsorten vernichten Vom Moor nach Ostfriesland Landschaftspflege mit Biss: Wie die Diepholzer Moorschnucke sich selbst und das Moor erhält Ein Braten für den modernen Haushalt: Die Diepholzer Gans ist fettarm und zart Finkenwerder Herbstprinz, Uelzener Kalvill, Ruhm von Kirchwerder: Für jedes Kirchspiel ein eigener Apfel Welche Zukunft haben regionale Produkte? Ein Forschungsprojekt aus Ostfriesland Rezepte Adressen Reiseroute
Schlagzeile
Reportagen und Hintergrundstorys über die erstaunliche, aber sehr bedrohte regionale Küche Deutschlands.