Beschreibung
Die Familie, in die wir hineingeboren werden, hat großen Einfluss auf uns - lebenslang. Um persönlichen Problemen oder immer wiederkehrenden Beziehungsschwierigkeiten auf die Spur zu kommen ist die Beschäftigung mit der Herkunftsfamilie ein 'Königsweg'. Familienaufstellung und Familienskulptur bieten vielfältige Möglichkeiten, das Erfahrungswissen aus der Familientherapie zu nutzen. Eva Tillmetz beschreibt in diesem kompetenten Fachratgeber die verschiedenen Herangehensweisen und Schwerpunkte und sie erklärt, worauf bei der Auswahl aus dem großen Angebot zu achten ist. Mit Übungen, praktischen Hinweisen und Beispielen. Mit einer "Familienaufstellung" oder einer "Familienskulptur" können wir hinter unsere eigenen Kulissen schauen und z.B. begreifen, warum wir aus eingefahrenen Verhaltensmustern so schlecht herauskommen. Wer aber heute eine Familienaufstellung machen möchte, steht vor einer unüberschaubaren Vielzahl von Angeboten. Dieser kompetente Fachratgeber versteht sich als Führer durch diesen Dschungel der familientherapeutischen Möglichkeiten: Wie funktionieren Familienaufstellungen oder Familienskulpturen? Was bewirken sie? Was können sie nicht? Was unterscheidet Familienaufstellung von Familienskulptur und Familienrekonstruktion? Welche Methode passt am besten zu den eigenen Fragestellungen und Problemen? Wie findet man einen seriösen Therapeuten und vermeidet die Gurus? Praxisnah: mit vielen Tipps, Techniken und Skizzen Unterschiede 'HellingerSchule' zu Systemische Familientherapie (Satir) Dieses Buch richtet sich an: Alle, die mehr über sich und ihre Herkunftsfamilie erfahren möchten Alle, die eingefahrene Verhaltensmuster verlassen möchten
Autorenportrait
Eva Tillmetz, Dipl.-Theol., ist systemische Familientherapeutin (DGSF); sie berät Familien und Paare in eigener Praxis und bildet FamilientherapeutInnen am Nürnberger Zentrum für systemische Familientherapie, Supervision & Coaching L.U.S.T. aus. Sie lebt mit ihrer Familie in Regensburg. Zur Webseite: www.partnerschaftsberatung-regensburg.de
Leseprobe
VorwortEs war ein sonniger Novembertag, als ich meine erste Familienskulptur stellte. Im Rahmen meiner Familientherapieausbildung erzählte ich meinen Kolleginnen und Kollegen, dass ich mich immer wieder über meinen Mann ärgere, wenn er sich nach dem Frühstück oder nach dem Abendessen aufs Sofa setzt und Zeitung liest, ich aber noch alle Hände voll zu tun habe. Abräumen, Küche kehren, Betten richten, die Kinder möchten mit mir spielen. Wo soll ich nur anfangen? Ich spüre das schlechte Gewissen, weil ich mich um den Haushalt kümmere, statt mit meinen Kindern zu spielen. Irgendwann entlädt sich meine Spannung, und ich platze heraus: 'Ich muss mich immer um alles kümmern und du gönnst dir Freizeit! Wir sind doch beide berufstätig!'Natürlich weiß ich, dass solche Verallgemeinerungen wie 'immer muss ich ' und Anklagen wie 'du aber ' die Stimmung vergiften, doch in der Wut Ich stellte die Situation in einer Skulptur auf, d.h., ich bat vier Kolleginnen und Kollegen, dass sie als Rollenspieler mich, meinen Mann, unsere Tochter und unseren Sohn darstellen. Meinen Mann manövrierte ich aufs Sofa und gab ihm den Satz 'In der Ruhe liegt die Kraft' vor. Unsere zehnjährige Tochter positionierte ich etwas weiter entfernt mit erwartungsvollem Blick. Ihr legte ich den Satz 'Ich brauche was von dir' in den Mund. Unser zweijähriger Sohn hing rockzipfelnd an mir und nörgelte: 'Mama, Mama, spielen!' Mich, d.h. mein Double in der Skulptur, stellte ich mit weit vornübergebeugtem Oberkörper in der Mitte auf, die Hände unablässig von links nach rechts bewegend, mein Blick schweifte über alle meine Lieben. Mein Satz lautete: 'Ich muss mich um alles kümmern!' Anschließend nahm ich meine eigene Position in der Skulptur ein. Als ich so über eine Minute in dieser extrem anstrengenden Haltung verharrte, wurde mir schlagartig klar, wie ich an mir selbst Raubbau betrieb und gleichzeitig die Aktivität meines Mannes verhinderte. Je stärker ich mich bemühte, alles perfekt in Schuss zu halten, desto mehr erhielt er die Botschaft: 'Die Eva macht das alles spielend.' Der Kollege, der meinen Mann spielte, erzählte aus seiner Rolle heraus, er sitze da, um wenigstens etwas Ruhe in die Familie hineinzubringen, aber er spüre einen enormen Druck, den er nicht ausdrücken könne. Selbst wenn er versuchen würde, mir im Haushalt zu helfen, könne er sicherlich nicht meinen Ansprüchen genügen. 'Stimmt', dachte ich bei mir - aber der Preis dafür, alles perfekt machen zu wollen, war sehr hoch, und ich hatte das Gefühl, keinem gerecht zu werden. Ich sah mir die Skulptur auch von außen an, mein Double nahm nochmals meine Haltung ein. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Ich erkannte, dass ich mir meinen Wunsch, auch einmal umsorgt und verwöhnt zu werden, mit dieser Haltung selbst abschnitt. Wieder in meiner eigenen Rolle, spürte ich nochmals die Überforderung, die ich mir selbst aufbürdete. Die Trainerin bat mich, einen neuen Platz zu suchen, der mir angenehmer sei. Ohne viel nachzudenken, setzte ich mich neben meinen Mann aufs Sofa. Hier gings mir gut - und schlagartig änderte sich die Stimmung für alle Familienmitglieder. Mein Mann fühlte sich wohler, er spürte, wie Energie in ihm aufkam. Unsere Tochter rückte näher heran, und unser Sohn blieb in meiner Nähe, jaulte aber nicht mehr so nervtötend. - 'Na ja', dachte ich nach dieser Skulpturarbeit, 'mit Rollenspielern geht das ganz einfach, aber in der Realität ?' - Neugierig war ich trotzdem Daheim angekommen, setzte ich mich, als die wohlbekannte Szene wieder ablief, neben meinen Mann aufs Sofa. Ich staunte nicht schlecht! Er legte seine Zeitung beiseite und nahm mich in den Arm. Ich hatte keinem von meiner Skulptur erzählt, doch es reichte völlig aus, dass ich mein Verhalten änderte. Im selben Augenblick hatten die anderen Familienmitglieder neue Möglichkeiten, auf mich zu reagieren.Durch diese Familienskulptur wurde unser gemütliches Sofa ein zweites Mal eingeweiht, und es ist nach wie vor unser liebster Platz in der Wohnung. Und noch etwas: Wir haben die Aufgaben im Haushalt neu verteilt. teil 1 Einleitung1.1 'Mach doch mal eine Familienaufstellung!' Die Familie ist tot - es lebe die Familie! Wurde in den 70er-Jahren des 20. Jahrhundert die Familie als Auslaufmodell gehandelt und fast schon totgesagt, so erleben wir in den vergangenen fünfzehn Jahren eine gegenläufige Entwicklung.Trotz der ansteigenden Zahl der Single-Haushalte, in Großstädten wie München liegt ihr Anteil bereits bei 54 Prozent, nehmen das Interesse an und die Sehnsucht nach Familie ständig zu. Familie bewegt sich heute in einem großen Spannungsfeld: Viele soziale, wirtschaftliche und religiöse Bindungen, die die Familie zusammengehalten, ja oft unfreiwillig zusammengezurrt haben, sind weggefallen. Stattdessen ziehen heute so viele Kräfte von außen an der Familie, dass es einer beständigen Konzentration auf das Miteinander bedarf, um die Familie als Lebensmittelpunkt zu erhalten.Unter Jugendlichen hat die Familie seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. In der 16. Shell-Studie (2010) meinen inzwischen Dreiviertel aller Jugendlichen, dass man eine Familie brauche, um wirklich glücklich leben zu können. Fast so viele Jugendliche wollen eines Tages selbst eine Familie gründen, und ein Großteil dieser Jugendlichen will seine Kinder später einmal so erziehen, wie sie selbst erzogen wurden.Das wachsende Interesse an familiären Beziehungen spiegelt sich auch in der therapeutischen Landschaft wider. Familientherapie gehört zu den beliebtesten und zugleich erfolgreichsten Therapieformen. Viele Menschen suchen heute (wieder) ihr seelisches Wohlbefinden im Kontext ihrer wichtigsten Bindungen zu verstehen. Sie suchen nach Lösungen, die nicht mehr nur ihr individuelles Glück, sondern auch das Glück der anderen und das Glück in Beziehung zu den anderen im Blick haben.In der systemischen Familientherapie steht diese wechselseitige Vernetzung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wie wirkt sich das Denken und Handeln des einen auf all die anderen aus? Wie wirkt sich beispielsweise die Krankheit eines Familienmitglieds oder die Außenbeziehung eines Elternteils oder die Lese-RechtschreibSchwäche eines Kindes auf alle anderen aus und was können alle Betroffenen als Beteiligte dieses Familiensystems zur Lösung des Problems beitragen? Die systemische Familientherapie bespricht nicht nur diese Themen, sondern sie kennt eine Vielzahl von Methoden, um diese Wechselwirkungen in Beziehungsnetzen sichtbar, hörbar und spürbar zu machen. Drei dieser darstellenden Methoden werde ich Ihnen in diesem Buch explizit vorstellen: die Familienskulptur, die Familienrekonstruktion und die Familienaufstellung. Zum tieferen Verständnis dieser Methoden werden Sie zentrale Grundannahmen der systemischen Familientherapie kennenlernen.Eine Methode der systemischen Familientherapie ist in den 90erJahren sehr bekannt geworden: die Familienaufstellung. In Großveranstaltungen praktizierte Bert Hellinger seine Form der Familienaufstellung und löste damit diese Methode aus dem therapeutischen Kontext heraus. Eine große Öffentlichkeit erlebte nun mit, welche Wechselwirkungen in einem Familiensystem ablaufen, wie familiäre Bindungen sich über Generationen auf das Leben des Einzelnen auswirken können und wie ein Familiensystem sich neu strukturieren kann, wenn alte traumatische Erfahrungen gesehen und geachtet werden. Diese oft verblüffenden Lösungen faszinierten viele suchenden Menschen, zogen sie geradezu magisch an. Doch durch apodiktisch wirkende Aussagen während der Aufstellungen erregte Hellinger auch kontroverses Aufsehen. Kritiker warfen ihm vor, er zementiere ein patriarchalisches Familienbild, wenn er eine bestimmte Ordnung in der Aufstellung vorgab.Hellinger traf andererseits auch den Nerv der Zeit, als er 1994 die 'Ordnungen der Liebe' veröffentlichte. In einer Zeit, da Beziehungen als brüchig erlebt werden und die Sehnsucht nach einer heilen Familie so groß ist wie nie zuvor, werden Ordnungen der... Leseprobe
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Familiäre Bindungen verstehen - Konflikte lösen