Beschreibung
Sophie Calle - Marina Abramovic - Christian Boltanski - Yoko Ono - Tino Sehgal - Santiago Sierra - Jochen Gerz - Raumlabor - Pina Bausch - Rimini Protokoll - Erwin Wurm: Die Künstler und ihre Arbeiten provozieren, irritieren und animieren. Angeli Janhsen untersucht am Beispiel von 17 Künstlern die Funktionsweisen neuer Kunst. Oft sind diese Arbeiten nicht als "Kunst" zu erkennen, und vergleichbar sind sie nur in einer Hinsicht: Sie stoßen Prozesse an und dienen damit als Katalysator für den Wirklichkeitsgewinn.
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Autorenportrait
Angeli Janhsen; Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der Universität Freiburg i. Br.; Veröffentlichungen: Perspektivregeln und Bildgestaltung bei Piero della Francesca; Hier. Jetzt. Wirklichkeitserfahrungen mit zeitgenössischer Kunst; Kunst sehen ist sich selbst sehen. Christian Boltanski - Bill Viola
Leseprobe
»Light a match and watch till it goes out« ist eine Partitur von Yoko Ono, die zur Zeit ihrer Entstehung, 1955, sicher noch leichter aufzuführen war als heute. Noch in den 70er Jahren hatte immer irgendwer Streichhölzer in der Tasche, Künstler und Intellektuelle rauchten selbstverständlich. Diese selbstverständliche Alltäglichkeit ist heute verloren, aber Streichhölzer sind üblich genug, so dass die Partitur aufgeführt werden kann. Möglich und richtig ist die Aufführung an den verschiedensten Orten, zu den verschiedensten Zeiten. Es muss nicht dunkel sein. Man zündet nach Anweisung der Partitur ein Streichholz an, nicht um das Feuer an eine Zigarette oder eine Kerze oder was auch immer weiterzugeben, sondern um es zu sehen, zu beobachten, »to watch«. Die Zeit zum Sehen ist begrenzt, man weiß das gleich und versteht es doch erst jetzt. Diese Partitur ist eins der Kunstwerke, um die es hier geht. Mit »Light a match and watch till it goes out« kann ich zeigen, was ich im Folgenden ausführen möchte. Ich deute hier nur an: Ein »ordentliches« Kunstwerk ist das sicher nicht. Es hat keine Botschaft, aber es ist sinnvoller als viele Botschaften. Man kann es eigentlich nicht verstehen, kunsthistorische Methoden greifen hier wenig, aber es gibt Kriterien für einen guten Umgang damit. Es vergeht, aber es wirkt, es greift ein, es ändert jemandem, deres kennt, das Leben. Yoko Onos Partitur wirkt als Katalysator. Diese Funktionsweise neuer Kunst interessiert mich. Wenn man das Vorher und Nachher und all das, was man beim Brennen des Streichholzes im Sinn hat, nicht bedenken würde, wäre die Aktion sinnlos und überflüssig, wie jeder Katalysator allein nicht überzeugt. Wer aber sieht, was alles an dieser Partitur deutlich und gebündelt ist, lebt mit dieser Partitur vergnügter, aufmerksamer, wirklicher.