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Piper Verlag GmbH
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Autorenportrait
Jörg Steinleitner, geboren 1971 im Allgäu, studierte Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule in Krems/Wien. 2002 ließ er sich nach Stationen in Peking und Paris als Anwalt in München nieder. Er veröffentlichte mehrere Bücher - neben den bei Piper erschienenen Anne-Loop-Krimis auch das kulinarische Erlebnisbuch »Heimat auf dem Teller«, für das er eine Auszeichnung erhielt. Für das Online-Literatur- und Kulturmagazin Buchszene schreibt er die Kolumne »Steinleitners Woche«. Seine Lesungen inszeniert er als kriminalistisches Hörspiel-Kabarett. 2013 gründete der Autor den Stiftungsverein für Leben und Kultur e.V., mit dem er existenzielle und kulturelle Projekte fördert. Steinleitner teilt sein Leben am oberbayerischen Riegsee mit einer Frau, drei Kindern und ebenso vielen Wachteln.
Leseprobe
Der Jäger braucht eine Kurzwaffe zum Töten von Raubwild sowie für Fangschüsse; ferner auch in Notwehrfällen zur Selbstverteidigung. Helmut Krebs, Jagdexperte EINS Hanna Nikopolidou blickte auf das Smartphone, das neben ihren rötlich-braun lackierten, gepflegt kurzen Fingernägeln lag. Gestern noch war sie bei der Maniküre gewesen. Zehn Uhr vierunddreißig war es jetzt. Das Meeting dauerte bereits über eine Stunde. Die letzten durch den Raum gewaberten Begriffe, die sie mitbekommen hatte, waren Risikomatrix, Profitabilität und Transaktionssettlement. Das Meeting war öde wie immer. Aber Hanna Nikopolidou mochte ihren Job, und weil sie gut darin war, verdiente sie auch exzellent. Bereits in ihrem ersten Berufsjahr hatte sie verinnerlicht, dass die Aufgabe einer erfolgreichen Bankerin darin bestand, aus viel Geld mehr Geld zu machen. Da konnte man in Meetings noch so viel angelsächsisches Fachvokabular daherlabern - ob die Geldvermehrung klappte oder nicht, hing von zahllosen Zufällen und Unwägbarkeiten ab. Von mehr Zufällen und Unwägbarkeiten, als man den Kunden, die in Hannas Fall größtenteils finanzstarke Investoren waren, zumuten konnte. Eine gute Bankerin war verschwiegen, dieser Tage. Zehn Uhr fünfunddreißig. Hanna dehnte ihren sportlichen Körper und dachte mit Vorfreude an das Wellnesswochenende am See. Sie hatte in dieser Woche bereits zweiundzwanzig solcher Sitzungen ertragen. Die Meetings nahmen zu. Kein Wunder, dass sie - wie im Übrigen fast alle Kollegen in der Bank - auf weit über siebzig Arbeitsstunden pro Woche kam. Die reguläre Arbeitszeit wurde durch Konferenzen blockiert, die wirklich wichtigen Arbeiten verschoben sich zwangsläufig in den Abend und die Nacht. Hanna unterdrückte den plötzlichen Drang zu gähnen. Stattdessen lächelte sie ihren Vorgesetzten an. Er war heute besonders gut drauf. Am Morgen hatte sie seinen neuen Porsche auf dem Parkplatz gesehen. Weiße Lackierung, cremefarbene Sitze. 'Weiß ist das neue Schwarz', hatte er verkündet. 'Penisverlängerung' hatte Hannas britische Kollegin Jane mit ihrem hinreißenden englischen Akzent geraunt. Hanna sah wieder auf das Telefon. Es galt, noch exakt vier Stunden und dreiundzwanzig Minuten durchzuhalten. Dann würde sie das Büro verlassen, sich den reservierten Mietwagen - ein nettes, nicht zu protziges Cabrio (zweifellos keine Penisverlängerung!) - holen, Katja in ihrer Wohnung aufsammeln und in die Natur entfliehen. Der idyllische See lag nur etwa fünfzig Kilometer von München entfernt, wohlbeschützt von majestätischen Bergen. Hannas kleiner Koffer wartete gepackt unter dem Schreibtisch im Office. Sie schloss für eine Hundertstelsekunde die Augen und glitt in Gedanken in das heiße, sprudelnde Wasser des Hotelwhirlpools. Für einen Augenblick spürte sie das warme Nass auf der Haut. Obwohl Hanna die Sonne mied, war ihre Haut braun, und zwar ganzjährig. Zu verdanken hatte sie das im Gegensatz zu manch wohlgebräunter Kollegin jedoch nicht der Sonnenbank, sondern ihren Eltern, die kurz vor Hannas Geburt aus Griechenland nach Deutschland eingewandert waren. Sie dachte an die sanften ätherischen Öle, die Wellnessbereiche in Orte des Rückzugs, der inneren Einkehr und körperlichen Harmonie verwandelten, da vermeldete ihr gelangweiltes Gehirn, dass diese Frage ihr galt: 'Was halten Sie von unserem neuen paneuropäischen Sektoransatz, Frau Nikopolidou?' Hanna hatte keine Ahnung, worum es ging. Aber davon ließ sie sich nicht aus der Fassung bringen. Sie war zwar erst vierunddreißig, aber sie kannte den Laden nun doch schon seit bald einem Jahrzehnt. Ihre Position war safe. Sie hatte in der Vergangenheit einige gute Entscheidungen getroffen. Und sie war sprachbegabt, das war ein Vorteil als Bankerin. Die Antwort auf die Frage ihres Vorgesetzten Heinzelsperger fiel ihr leicht: 'Ich denke, dass wir damit im Equitiesbereich gut aufgestellt sind. Sowohl die jüngst gelaunchten Researchergebnisse als auch die Statistiken der Sales Results haben die eingeschlagene Strategie