Beschreibung
Geboren im London des Jahres 1748 in ein Leben voller Armut, Arbeit und Entbehrungen. Mary Saunders will mehr. Die Tochter einer Näherin gelüstet es nach schönen Stoffen, Spitze, nach einem leuchtend roten Satinband - und sie landet, kaum vierzehnjährig, auf der Straße. Atemlos verfolgt man das Leben des begabten, intelligenten Mädchens aus den Slums, das doch nur einen Platz auf der Sonnenseite des Lebens will. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Heldin - aber auch eine Geschichte Londons. Es ist die Zeit, in der Buckingham Palace, aber auch die Elendsviertel des East End entstehen. 'Farbenfroh, wild und unwiderstehlich. Donoghue malt ein beseeltes Bild - fantastisch.' The New York Times Book Review
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Autorenportrait
Emma Donoghue wurde 1969 als jüngstes von acht Kindern in Dublin geboren. Sie studierte in Dublin und Cambridge. Nach einem Aufenthalt in London zog sie 1998 nach Ontario in Kanada, wo sie mit ihrer Lebensgefährtin und ihren beiden Kindern lebt. Emma Donoghue ist Autorin zahlreicher Romane und Erzählungen. Die Übersetzungsrechte wurden in 29 Länder verkauft.
Leseprobe
Prolog Es war einmal ein Flickschuster namens Saunders, der elf Tage lang starb. So jedenfalls erinnerte es seine Tochter. Im Jahr 1752 wurde verkündet, dass auf den 2. September der 14. folgen werde. Natürlich ging es hierbei lediglich um die Benennung, die Zeit selbst in ihrem Lauf sollte keinerlei Änderung erfahren. Und was war schon eine kurze Ungelegenheit, ein Augenblick der Konfusion, gemessen an der Tatsache, dass diese kalendarische Reform das Königreich endlich in Einklang mit seinen Nachbarn bringen würde? Die Londoner Zeitungen druckten zwar spöttische Verse über die 'Auslöschung der Zeit', doch niemand zweifelte an den gewichtigen Gründen der Regierung. Noch kam jemand auf den Gedanken, sie Menschen ohne jede Bedeutung zu erklären, wie Cob Saunders einer war. Der jedoch wusste eines immerhin: Das war eine Ungerechtigkeit! Für elf Tage Lederstanzen würde man ihn niemals entlohnen, elfmal würde man ihm das Nachtmahl vom Munde rauben und ihn elf Nächte um die süße Wohltat betrügen, dass er auf seine Strohmatratze sinken konnte. Am 14. September - im 'Neuen Stil', wie er genannt wurde - wachte Cob Saunders mit dröhnendem Kopf auf und wusste, dass elf Tage seines Lebens verloren waren. Besser gesagt, sie waren ihm gestohlen worden, aus der ihm beschiedenen Zeitspanne herausgeschnitten wie ein Wurmloch aus einem Apfel. Er hatte keine Ahnung, wie man ihm diese Tage abspenstig gemacht hatte oder wie er sie vielleicht zurückbekommen könnte. Ihm wollte schier der Kopf zerspringen, wenn er versuchte, es zu ergründen. Er war nun ein Mann, der seinem Tod um elf Tage näher gerückt war, und nichts konnte er dagegen tun. Oder vielleicht ja doch. Cob hatte zwar keinen Anteil am Ausbruch der Kalenderunruhen, doch als sie einmal begonnen hatten, beteiligte er sich mit voller Lungenkraft daran und ergoss seine Wut in das kollektive Fegefeuer. Der Ruf erscholl: Gebt uns unsere elf Tage wieder! Die Regierung ließ Gnade walten. Cob Saunders wurde nicht hingerichtet. Er starb am Kerkerfieber. Weihnachten kam in diesem Jahr elf Tage früher. Das Gedröhn der Kirchenglocken spannte die Luft so stramm wie Katzendärme, und die fünfjährige Tochter des Schusters kniete sich vors Fenster und hielt Ausschau nach Schnee, der nie fiel. Elf Jahre später war Mary Saunders wieder auf Knien und selbst im Kerker. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Der Schlafsaal im Kerker von Monmouth war gut einundzwanzig Fuß lang und knapp fünfzehn Fuß breit. Sie hatte ihn abgeschritten, an ihrem ersten Abend. Vier Mauern, keine Fenster. Die Männer und Frauen, die hier darauf warteten, dass ihnen im Frühjahr der Prozess gemacht wurde, lebten wie Ratten. Manche wurden nach Einbruch der Dunkelheit angekettet, aber nicht unbedingt die Mörder. Ein System konnte Mary dahinter nicht erkennen. Doch sie lernte, dass im Dunklen alles Mögliche geschehen konnte. Vergewaltigungen, begleitet nur von einem Keuchen, oder Schläge, deren einziges Geräusch ein Klatschen auf Fleisch war. Stroh wurde keines bereitgestellt, deshalb häufte sich in den Ecken der Kot an. Die Luft hätte man zerschneiden können. Eines Morgens fand man einen alten Waliser, mit dem Gesicht nach unten lag er reglos da. Aber das konnte Mary Saunders schon nicht mehr erschüttern. Sie ließ nichts mehr an sich heran. Im September war es noch schlimmer gewesen, als die Mücken durch die nächtliche Hitze surrten und die Wachen kein Wasser brachten. Einmal hatte es vor Sonnenaufgang so heftig geregnet, dass durch die rissige Decke Wasser gesickert war. Die Gefangenen hatten schrill wie Geisteskranke gelacht und die Wände abgeleckt. Jetzt war es kurz vor Weihnachten, und Mary Saunders hockte im Tagessaal des Gefängnisses da wie eine Schnitzfigur, Stunde um Stunde. Solange sie sich nicht rührte, würde sie auch nichts empfinden. Ihre Hände ruhten auf dem groben braunen Kleid, das ihr die Kerkerwächter vor drei Monaten gegeben hatten. Es fühlte sich an wie Sackleinen und starrte vor Dreck. Ihr Blick war auf das