Beschreibung
Was ist eigentlich Religion? Warum sind alle Religionen so ernst? Und: Warum liegen sie ständig miteinander im Streit? In diesem Buch zeigt Gerhard Staguhn, der bekannte Sachbuch-Autor und Wissenschaftsjournalist, dass Religion nicht nur Glaubenssache ist, sondern auch ein großes geistiges Abenteuer. Für alle, die nach Werten und einer Orientierung fragen - vielleicht nicht nur, aber auch in der Religion.
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Autorenportrait
Gerhard Staguhn, 1952 in Bayern geboren, lebt als freier Autor und Wissenschaftsjournalist in Berlin. Für Hanser schrieb er bereits zahlreiche Jugendsachbücher zu naturwissenschaftlichen Themen, darunter Die Rätsel des Universums (1998), das für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Daneben erschienen Bücher zu Religion, Geschichte und Gesellschaft, zuletzt Warum die Menschen keinen Frieden halten - Eine Geschichte des Krieges (2006) und Wenn Gott gut is, warum gibt es dann das Böse in der Welt im selben Jahr. 2008 erschien bei Hanser Sonne Wind und Regen - Eine Wetterkunde in Zeiten des Klimawandels, das von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet wurde.
Leseprobe
Was ist Religion? Wissen wir eigentlich, was Religion ist? Ich denke nicht. Schon das Wort schillert in tausend Farben. Wissen wir, was unsere eigene Religion, oder besser: unsere ganz persönliche Religiosität ist? Selbst mit dieser Frage wird so mancher Schwierigkeiten haben. Also stellen wir erst einmal nüchtern fest: Es gibt ein Problem bei der Beantwortung dieser Frage. Und das ist gut so. In Fragen der Religion ist jede leichte Antwort verdächtig.'Ich bin Christ' zu sagen, bedeutet noch nicht viel. Entscheidend ist, was man als Christ - oder Jude, Muslim, Hinduist oder Buddhist - tut. Wann und wo gelingt es mir, die christliche oder sonstige Heilsbotschaft in Handeln umzusetzen? Wie steht es für mich als Christ zum Beispiel mit der Auferstehungsgewissheit, die doch im Zentrum des christlichen Glaubens steht? Ist sie nicht den meisten von uns Allerweltschristen stillschweigend abhanden gekommen? Und erst, wenn wir ins Detail gehen! Was ist das, was sich Katholizismus nennt? Was ist das, was sich Protestantismus nennt? Wenn wir ehrlich sind: Wir wissen es nicht so genau. Wir könnten alle heiligen Schriften des Christentums und aller anderen Religionen studieren und würden wahrscheinlich immer noch nicht wissen, um was es letztlich bei dem Ganzen geht. Die Frage zielt auf etwas anderes; sie zielt auf einen selbst. Denn du kannst Christ sein und bist am Ende doch ein ganz mieser Typ. Ja, Religion kann man sich ankleben wie ein Etikett, mit dem sich vortrefflich Schwindel treiben lässt - Etikettenschwindel. Das ganze Dilemma mit der Bestimmung von Religion beginnt ja schon damit, dass wir gemeinhin durch einen Willkürakt zum Christen, Juden oder Muslim gemacht werden, durch einen rituellen Akt am Neugeborenen. So werden wir Christen, indem man uns als Säugling tauft. Dabei werden wir naturgemäß nicht gefragt, ob wir überhaupt ein Christ sein wollen. Vielleicht wären wir ja viel lieber Jude, Muslim oder Buddhist. Sollte so etwas Wichtiges nicht jeder Mensch im Vollbesitz seiner Geisteskräfte selbst entscheiden? Tatsächlich gibt es christliche Kirchen, etwa die evangelischen Baptisten, die das so sehen: Sie taufen nur Erwachsene, weil nach ihrer Auffassung allein der bewusst an Christus Glaubende getauft werden sollte. Das muss natürlich nicht heißen, dass einem Baptisten die Antwort auf die Frage, was seine eigene Religiosität ist, leichter fällt. Schauen wir einmal im Lexikon nach; das ist bei allen Fragen als erster Schritt empfehlenswert. Im Lexikon findet man unter dem Stichwort 'Religion' den aufschlussreichen Hinweis, dass sich das Wort vom lateinischen 'religio' ableitet, was 'Gottesfurcht' bedeutet. Religion wäre demnach eine von Furcht bestimmte geistige Beziehung zwischen dem Menschen und einem Gott oder mehreren Göttern. Religion ist so gesehen zuerst mal ein Gefühl, und zwar eines, das wir gemeinhin als unangenehm empfinden: Furcht. Aus Furcht und Angst entsteht zumeist nichts Positives. Doch auch die Furcht kann sich zum Positiven wenden - und genau das geschieht in der Religion. Aus Furcht wird Ehrfurcht - Ehrfurcht vor dem Schöpfer und seiner Schöpfung. Von dem Schriftsteller Adalbert Stifter (1805-1868) gibt es ein kleines, wunderbares Stück Literatur, in welchem der Leser - jeder Leser! - spürt, was in einem Menschen vorgeht, der von einem religiösen Gefühl ergriffen wird. Von Stifters berühmter Beschreibung der Sonnenfinsternis des Jahres 1842 ist die Rede, von jenem Moment, da der Mond die Sonne vollständig verdeckt: 'Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft aber ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken - die Stadt sank zu unsern Füßen i ... Leseprobe