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Zu einer anderen Zeit

Portrait der jüdisch-deutschen Epoche 1743-1933

Erschienen am 10.03.2003
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446202832
Sprache: Deutsch
Umfang: 424 S., 49 s/w Illustr.
Format (T/L/B): 3 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die faszinierende Geschichte der Blütezeit der jüdisch-deutschen Epoche: Der große israelische Schriftsteller und Journalist Amos Elon beleuchtet diese spannende und bewegende Periode der Kulturgeschichte, die 1743 mit der Übersiedlung Moses Mendelssohns nach Berlin beginnt und von Hannah Arendts Flucht im Jahr 1933 abgeschlossen wird. Anhand atmosphärischer Reportagen, von Kurzporträts und Dialogen weckt Elon diese andere Zeit mit ihren Tragödien und Erfolgen, mit ihren großen Namen - wie Heinrich Heine, Rahel Varnhagen, Karl Marx und vielen anderen - wieder zum Leben.

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pina.lore@hanser.de
Kolbergerstaße 22
DE 81679 München

Autorenportrait

Matthias Fienbork, geboren 1947, hat Musik und Islamwissenschaft studiert. Er übersetzte u.a. Bücher von Eric Ambler, W. Somerset Maugham, Michael Frayn, Amos Elon, Barack Obama und Tony Judt. Er lebt in Berlin.

Leseprobe

Einleitung Im Herbst 1743 stand ein vierzehnjähriger Junge vor dem Rosenthaler Tor, dem einzigen in der Berliner Stadtmauer, das für Juden (und Vieh) zugelassen war. Fünf, sechs Tage war er, aus Dessau kommend, der Hauptstadt des kleinen Herzogtums Dessau-Anhalt, durch die Mark Brandenburg gewandert. Wir wissen nicht, ob er Schuhe trug; wahrscheinlicher ist, daß er barfuß unterwegs war. Der Knabe, der später in ganz Europa als der berühmte Philosoph Moses Mendelssohn Anerkennung finden sollte, war klein und schmächtig für sein Alter. Er hatte dünne Arme und Beine, einen Buckel und stotterte. Der mißgebildete Rücken könnte genetisch bedingt (nach modernen medizinischen Erkenntnissen sind von dem ausgeprägtesten Typus, zu dem häufig noch das Stottern kommt, besonders Juden mitteleuropäischer Herkunft betroffen) oder die Auswirkung einer Rachitis gewesen sein, einer damals verbreiteten Kinderkrankheit. Das Äußere des Knaben »hätte das roheste Herz bewegen können«, wie ein Zeitgenosse schrieb, er hatte jedoch ein auffällig hübsches Gesicht.1 Funkelnde Augen unterstrichen die hohe Stirn, Nase, Wangen, Lippen und Kinn waren fein und wohlgeformt. Der alleinreisende, mittellose Junge trug seine wenigen Habseligkeiten in einem Beutel auf dem Rücken. Für reisende Juden galten zu jener Zeit strenge Bestimmungen. Nur eine begrenzte Anzahl von reichen Juden (und gelegentlich auch ein Gelehrter) durfte sich in Berlin niederlassen, fahrenden Händlern indes wurde der Zutritt verwehrt. Juden, die die Stadt betreten wollten, und sei es nur für ein paar Tage, wurden über Herkunft und Zweck ihrer Reise ausgefragt. Sofern ihnen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, mußten sie Zoll entrichten, als wären sie eine Handelsware, und zwar denselben Zollsatz, der auf polnische Ochsen erhoben wurde. Dem Torsteher oblag es, »die ankommenden Juden anzuzeigen, auf dieselben Achtung zu geben und die fremden wegzuschaffen«.2 Im Preußen des aufgeklärten Friedrich II. ging es vergleichsweise toleranter zu als in den meisten anderen deutschen Staaten; offiziell galten die meisten Juden (und alle Leibeigenen) als minderwertige Menschen. Im Wachjournal des Torstehers von 1743 findet sich der Eintrag: »Heute passierten das Tor 6 Ochsen, 7 Schweine, 1 Jude.«3 Von Mendelssohns Befragung am Rosenthaler Tor sind mehrere Versionen überliefert. So soll der Wächter den Jungen, den er für einen Trödelhändler hielt, gefragt haben: »Jude, was hast du zu verkaufen? Vielleicht gefällt es mir.« Mendelssohn erwiderte: »Womit ich handle, das kaufen Sie ja doch nicht.« »Heraus damit! Womit handelst du?« »Mit V-V-Vernunft.« Einer anderen Quelle zufolge soll er auf die Frage, was er in Berlin zu tun beabsichtige, geantwortet haben: »Lernen.« [. ] Mendelssohn war der erste praktizierende Jude, der völlig in der deutschen Kultur aufging, und auch der erste deutsche Jude, der in ganz Europa als Philosoph und Gelehrter geschätzt und bewundert wurde. Er war ein enger Freund Lessings und anderer herausragender Vertreter der deutschen Aufklärung. Seine Zeitgenossen priesen ihn überschwenglich. Christian Martin Wieland grüßte ihn »mit dem heiligen Namen der Freundschaft«. Man nannte ihn einen »deutschen Sokrates« und einen »jüdischen Luther«. Weil er für einen aufgeklärten säkularen Staat eintrat, verglich Mirabeau ihn mit den Vätern der amerikanischen Verfassung. Das ganze neunzehnte Jahrhundert hindurch priesen und idealisierten deutsche Juden voller Stolz die berühmten Freundschaften Mendelssohns zu Nichtjuden und Leseprobe

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