Beschreibung
Der bedeutendste Roman der italienischen Literatur ist jetzt endlich in zeitgemäßer Übersetzung wiederzuentdecken. Die Geschichte des jungen Brautpaars Lucia und Renzo, das Jahrhundertwerk, das nach Goethes Wort 'alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen', wurde von Burkhart Kroeber neu übersetzt und kommentiert.
Autorenportrait
Alessandro Manzoni, geboren 1785 in Mailand, ging 1805 nach Paris, wurde dort erst Jakobiner und Antibonapartist, dann gläubiger Katholik, kehrte 1814 nach Mailand zurück und lebte dort bis zu seinem Tod 1873 als hochgeachteter Dichter und Intellektueller. Ihm zu Ehren hat Verdi sein Requiem komponiert.
Leseprobe
"Herr Pfarrer", sagte einer der beiden, die Augen fest auf sein Gesicht gerichtet. "Was wünscht Ihr?" fragte Don Abbondio sofort und hob die seinen vom Buch, das aufgeschlagen in seinen Händen blieb wie auf einem Lesepult. "Ihr habt die Absicht", sagte der andere in drohendem und erbostem Ton, als hätte er einen Untergebenen bei der Planung eines Schurkenstreiches ertappt, "Ihr habt die Absicht, morgen Renzo Tramaglino und Lucia Mondella zu trauen!" "Nun, ja.", antwortete Don Abbondio mit zittriger Stimme. "Nun, ja, die Herren sind doch Männer von Welt und wissen, wie so etwas geht. Der arme Pfarrer hat gar nichts zu melden: Die Leute machen ihre Sachen unter sich ab, und dann. dann kommen sie zu uns, so wie man zu einer Bank geht, um etwas abzuheben. Wir sind. wir sind nur die Diener der Allgemeinheit." "Also gut", sagte der Bravo dicht an seinem Ohr, aber in feierlichem Befehlston, "diese Trauung wird nicht stattfinden, weder morgen noch sonst irgendwann." "Aber meine Herren", erwiderte Don Abbondio mit sanfter und liebenswürdiger Stimme, als wollte er einen Ungeduldigen überzeugen, "meine Herren, seid doch bitte so gütig und versetzt Euch einmal in meine Lage. Wenn die Sache von mir abhinge. Aber seht doch, ich habe gar nichts davon, mir bringt es nichts in die Tasche." "Genug!" unterbrach ihn der Bravo. "Wäre die Sache durch Rederei zu entscheiden, würdet Ihr uns in die Tasche stecken. Wir wissen nichts von diesen Dingen und wollen nichts davon wissen. Ihr seid gewarnt. Haben wir uns verstanden?" "Aber meine Herren, Ihr seid zu rechtschaffen, zu vernünftig, um." "Also jedenfalls", unterbrach ihn diesmal der andere Bravo, der bisher geschwiegen hatte, "jedenfalls wird diese Trauung nicht stattfinden, oder." - hier folgte ein derber Fluch - "wer sie vollzieht, wird das nicht mehr bereuen können, weil ihm dazu keine Zeit mehr bleibt, und." - ein weiterer Fluch. "Sei still", hob der erste Redner wieder an, "der Herr Pfarrer ist ein Mann, der das Leben kennt, und wir sind Ehrenmänner, die ihm nichts Böses tun wollen, solange er nur vernünftig ist. Herr Pfarrer, Seine Gnaden unser Herr Don Rodrigo läßt Euch herzlich grüßen." Dieser Name wirkte auf Don Abbondio wie ein Blitz in einem nächtlichen Gewitter, der mit einem Schlage alles erhellt und den Schrecken noch vergrößert. Er machte instinktiv eine Verbeugung und sagte: "Wenn die Herren mir ein wenig erklären könnten." "Ha! Euch erklären, der Ihr Latein könnt?" unterbrach ihn der Bravo erneut mit einem halb unverschämten, halb drohenden Lachen. "Überlegt doch mal selbst. Und vor allem merkt Euch: kein Sterbenswörtchen über diesen Wink, den wir Euch zu Eurem eigenen Besten gegeben haben, sonst. ahem. wär's dasselbe, wie wenn Ihr diese Trauung vollzogen hättet. Also, was sollen wir nun Seiner Gnaden unserem Herrn Don Rodrigo von Euch bestellen?" "Meine Hochachtung." "Drückt Euch ein bißchen deutlicher aus!" ".daß ich stets. stets sein gehorsamster Diener bin." Und als Don Abbondio das sagte, wußte er selber nicht, ob er damit ein Versprechen oder ein Kompliment machte. Die Bravi nahmen's im strengeren Sinn oder taten zumindest so. "Na schön, also dann gute Nacht, Hochwürden", sagte der eine von ihnen und wandte sich mit seinem Gesellen zum Gehen. Leseprobe