Beschreibung
Eine Amerikanerin in Indien: Amanda sucht Erleuchtung und tappt ins Chaos
Kurz vor Amandas 30. Geburtstag ist sie weder verheiratet noch erfolgreich und auch nicht spirituell erleuchtet. Im Gegenteil: Sie verfasst dümmliche Reiseführer für einen Hungerlohn, und ihr Liebesleben ist eine einzige Warteschleife. Da kommt ihr das Angebot ihrer Verlegerin gerade recht: Amanda soll nach Indien reisen und für ein neues Reiseführer-Projekt recherchieren: ''Erleuchtung für Anfänger''. Amanda ist sofort Feuer und Flamme - und als sie im fernen Indien mit ominösen Gurus Bekanntschaft macht und sich die Gliedmaßen beim Yoga verrenkt, erkennt sie: die Erleuchtung hat zwei Beine und karottenrote Rastalocken ...
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Leseprobe
Stelle dich aufrecht auf die Matte. Atme tief ein und hebe dabei die Arme über den Kopf. Lass dann den Oberkörper sanft nach vorn fallen. Dein Rücken sollte sich wie ein Wasserfall aus Muskeln und Knochen aus dem Becken ergießen. Lege dich anschließend auf den Rücken und drücke die Fußsohlen aneinander. Lockere die Knie, so dass die Bauchdecke entspannt ist. Rolle dich nun ganz eng zusammen, wie ein Keim im gefrorenen Boden. Jede dieser Yoga-Positionen geht unweigerlich in die nächste über, erblüht in einer fließenden Bewegung aus der vorhergehenden. Auf diese Weise verschmelzen Anfang und Ende miteinander. Unterbreche die Übung möglichst nicht. Du wirst sehen: die letzte Position führt unweigerlich wieder zur ersten zurück. Als meine Mutter im sechsten Monat mit mir schwanger war, ging mein Vater eines Tages zur Tür hinaus und kam nie wieder zurück. Das ist so ziemlich alles, was ich über ihn weiß. Oder alles, was ich über ihn zu wissen brauche, meint meine Mutter. Sie redet nicht gern über ihn. Und die paar Mal, die ich all meinen Mut zusammengenommen und nach ihm gefragt habe, verschloss sich ihre Miene nur. Es war, als würde ein Eisengitter zufallen. 'Nicht jeder hat einen Daddy', bekam ich früher immer zu hören, wenn ich aus dem Kindergarten nach Hause kam und wissen wollte, wo meiner sei. 'Man kann einen Daddy haben, muss aber nicht.' 'Er war noch so jung', sagte sie später, als ich etwas größer war. 'Wir beide waren sehr jung. Er wollte noch nicht vor den Karren gespannt werden.' Es gab keine Fotos von ihm, weder in Fotoalben noch sonst irgendwo in der Wohnung - oder besser gesagt in all den verschiedenen Wohnungen. Wir zogen nämlich alle paar Jahre um; immer dann, wenn meine Mutter das Gefühl hatte, in einer neuen Stadt, einer neuen Wohnung, mit einem neuen Job oder einem neuen Freund glücklicher werden zu können. Aber einmal, als ich in ihrem Geldbeutel nach einem Dollar für einen Schokoriegel kramte, stieß ich hinter einem abgelaufenen Bibliotheksausweis auf einen Schnappschuss. Meine Mutter war darauf zu sehen, unglaublich jung. Sie stand auf einer Strandpromenade neben einem Jungen mit schiefem Grinsen und dunklen Locken, wie auch ich sie hatte. Er hatte den Arm um sie gelegt, schaute jedoch in die andere Richtung, aufs Meer hinaus. Sie, zierlich und blond, schmiegte sich an ihn. Meine Mutter sah ganz anders aus als ich. Doch selbst mit neun Jahren erkannte ich, dass wir denselben Gesichtsausdruck besaßen: strahlend und skeptisch zugleich. Mit Vorsicht das Glück genießend, wohlwissend, dass es einem jederzeit entrissen werden konnte. Ich erzählte ihr nie, dass ich das Foto gefunden hatte. Und noch etwas anderes erzählte ich ihr nicht: Dass es nicht stimmt, dass mein Vater nie wieder zurückgekommen ist. Ich habe ein Bild vor Augen, so zerknittert und vor der Welt geheimgehalten wie dieser Schnappschuss im Geldbeutel meiner Mutter. Ich war damals noch ganz klein, höchstens drei Jahre alt. Das weiß ich deshalb, weil wir noch in dem winzigen Einzimmer-Apartment in Los Angeles lebten, in das meine Eltern anfangs gezogen waren. Es war mitten in der Nacht. Mein Bett stand direkt unter dem Fenster in einem winzigen Vorbau, gleich neben der Küche. Ich erwachte aus einem Traum - überall um mich herum wuchsen riesenhafte Kürbisse in die Höhe - und hörte das Summen des Kühlschranks, das Ticken der Uhr und hatte das untrügliche Gefühl, dass jemand meinen Namen gerufen hatte. Ich setzte mich auf, zog den Vorhangzipfel beiseite und schaute nach draußen auf die Einfahrt, die im Mondschein und im tintenschwarzen Schatten der Bäume lag. Dort unten stand ein Mann und sah zu unserer Wohnung hoch. Obwohl ich ihn nie zuvor gesehen hatte, wusste ich sofort, dass es mein Vater war. Ich saß reglos da und beobachtete ihn. Irgendetwas sagte mir, dass ich nur den Vorhang beiseite ziehen und ins Licht treten müsste, dass er dann die Hand nach mir ausstrecken und mich in die Arme nehmen würde. Doch ich rührte mich nicht. Lange, lang Leseprobe
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