Beschreibung
Pflichtlektüre für Eltern und ErzieherBegabung als Störfall und Schule als "Talentvernichtungsindustrie"? In keinem anderen Bereich unseres Lebens klafft die Lücke zwischen erzieltem wissenschaftlichen Fortschritt und dessen tatsächlicher Nutzung zum Wohl der Menschen so auseinander wie in unseren Schulen. Andreas Salcher deckt die Mängel unseres Schulsystems und des Lehrpersonals auf, das die Begabungen unserer Kinder nicht fördert, sondern sich systematisch auf ihre Defizite konzentriert. Dabei wollen und können Kinder mit Freude und Motivation lernen, wie Salcher mit einem Blick auf die Schulsysteme anderer Länder zeigt.
Autorenportrait
Dr. Andreas Salcher, 1960 in Wien geboren, studierte Betriebswirtschaft und absolvierte ein "Executive Program" an der Harvard-Universität. 1987 wurde er zum jüngsten Mitglied des Wiener Landtags gewählt, dem er insgesamt zwölf Jahre angehörte. Er ist Mitbegründer der ersten österreichischen Schule für besonders Begabte und initiierte 2007 das globale Bildungsprojekt "The Curriculum Project - Creating the School of Tomorrow". Seine Bücher "Der talentierte Schüler und seine Feinde", "Der verletzte Mensch" und "Meine Letzte Stunde" wurden zu Bestsellern.
Leseprobe
rwort 1942 wurde ich in die erste Klasse einer kleinen Dorfschule in Niederschlesien eingestuft. Aber selbst wenn wir nicht mitten im 2. Weltkrieg lebten, h?en sich meine Eltern damals nicht besorgt die Frage gestellt, ob sie die richtige Schule f?r mich ausgesucht haben, ob die Lehrerin meine Talente erkennen und f?rdern w?rde und ob sie imstande sei, bei mir Neugierde und Interesse zu wecken. Das war auch in meiner Gymnasialzeit kein Thema. Ich hatte zwar meine Lieblingslehrer und solche, die ich weniger mochte, und ich habe mich auch mit meinen Geschwistern oft ?ber sie unterhalten. Aber es w? uns kaum in den Sinn gekommen, an diesem Zustand etwas ?ern zu wollen geschweige denn zu k?nnen. Die Schule war damals eine vorgegebene Konstante und die Lehrer auch. Die Lehrer wiederum haben die Talente und Begabungen ihrer Sch?ler als von der Natur - der Begriff ?Gene? hat damals noch nicht zum Wortschatz geh?rt - bestimmte Konstanten betrachtet. Als einzige Variable galt der Flei?und die Disziplin des Einzelnen. Die Ergebnisverantwortung lag ausschlie?ich beim Sch?ler. Was er nicht im Hirn hatte, konnte und musste er durch Sitzfleisch wettmachen. Bis in meine Studentenzeit waren jedenfalls die Themen Bildung und Schule kein Gegenstand ?ffentlicher und po- litischer Diskussion. Und wenn ausnahmsweise doch, dann haben Eltern ein neues Gymnasium in der N? ihres Wohnorts gefordert, um ihren Kindern einen langen Schulweg zu ersparen. Oder wahlk?fende Politiker haben ein solches Gymnasium zugesagt oder die Ausstattung einer Schule mit einem Turnsaal versprochen. Die Qualit?des Unterrichts war jedenfalls kein Thema, was auch gar nicht verwunderlich war, weil damals f?r viele Karrieren nicht die Frage, welche Schule oder Hochschule, sondern ob eine solche absolviert worden ist, entscheidend war. Formales Erfordernis hatte Vorrang vor inhaltlichem Erfordernis. Erst Mitte der sechziger Jahre hat in der Bundesrepublik Deutschland eine heftige bildungspolitische Diskussion begonnen. Ausgel?st wurde sie durch das Buch ?Die deutsche Bildungskatastrophe? des Religionswissenschaftlers und Philosophen Georg Picht. Kernthese des Buches ist die Feststellung Pichts gewesen, dass Deutschland ohne kr?ige Erh?hung der Schlagzahl bei der Akademikerquote die Herausforderungen der Zukunft nicht wird meistern k?nnen. Picht ist es gelungen, sofort die politische Agenda zu bestimmen. Schul- und vor allem Hochschuletats wurden kr?ig aufgestockt. Als Graduate Student und dann sp?r als Universit?lehrer in den USA habe ich das amerikanische Bildungssystem von beiden Seiten kennengelernt. Es unterscheidet sich in vielem vom europ?chen: Es ist viel st?er privat finanziert und auch gef?hrt, es f?rdert st?er Spitzenleistungen, und es ist st?er auf Ausbildung als auf Bildung fokussiert. Die fachliche und p?gogische Ausbildung halte ich f?r schw?er als in Europa. Allerdings wird dieses Defizit durch eine Qualit?der amerikanischen Lehrer wettgemacht, die viel mit amerikanischer Mentalit?zu tun hat. Sie trauen den io Kindern mehr zu als europ?che Lehrer und bem?hen sich, den Kindern das Gef?hl zu vermitteln, dass sie alles schaffen k?nnen. In diesem Sinn ist ?Der talentierte Sch?ler und seine Feinde? ein amerikanisches Buch. Es r?t mit dem jahrhundertealten Vorurteil auf, dass Talent eine rein genetisch bedingte Konstante ist, und weist nach, dass viele Kinder ?ber viel mehr Talent verf?gen, als ihre Eltern, ihre Lehrer und sogar sie selbst glauben. Dieser Nachweis ist aus zwei Gr?nden wichtig: Wirtschaftswachstum, Armutsbek?fung, Klimaziele und wie all die globalen Herausforderungen unseres Jahrhunderts hei?n m?gen, werden nur gemeistert werden k?nnen, wenn so viele Menschen wie m?glich ihre Talente maximal aussch?pfen k?nnen. Aber es geht nicht nur um eine ?konomisch-utilitaristische Nutzung der Talente. Seine Talente zu entdecken, ist auch ein zutiefst ?humanistisches? Recht, sogar ein Menschenrecht. Auch dieser Aspekt wird durch das vorliegende Buch br