Beschreibung
'Wer sich in die Geschichte der deutschen Nation vertieft, der hat leicht den Eindruck eines unruhigen Lebens in Extremen. Einmal erreichen deutsche Gestalten die höchsten geistigen Höhen, auf denen je Menschen gelebt haben, indessen gleichzeitig trübe Mittelmäßigkeit den öffentlichen Ton beherrscht. Von apolitischer Ruhe wendet Deutschland sich zur aufgeregtesten politischen Tätigkeit, von buntscheckiger Vielgestalt zu radikaler Einheitlichkeit; aus Ohnmacht erhebt es sich zu aggressiver Macht, sinkt zurück in Ruin, erarbeitet sich in unglaublicher Schnelle neuen, hektischen Wohlstand. Es ist weltoffen, kosmopolitisch, mit Bewunderung dem Fremden zugeneigt; dann verachtet und verjagt es das Fremde und sucht das Heil in übersteigerter Pflege seiner Eigenart. Die Deutschen gelten als das philosophische, spekulative Volk, dann wieder als das am stärksten praktische, materialistische, als das geduldigste, friedlichste, und wieder als das herrschsüchtigste, brutalste. Ihr eigener Philosoph, Nietzsche, hat sie das 'Täusche-Volk' genannt, weil sie die Welt immer wieder mit Dingen überraschen, die man gerade von ihnen nicht erwartet.' Golo Mann
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Autorenportrait
Golo Mann (1909-1994) ist einer der wichtigsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts. Mit seinen großen Werken >Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts<, >Wallenstein< und seiner Autobiographie >Erinnerungen und Gedanken< fand er ein begeistertes Publikum. Zuletzt erschienen unter dem Titel >Man muss über sich selbst schreiben< aus dem Nachlass edierte Erzählungen, Familienporträts und Essays. Außerdem hat Tilmann Lahme eine hochgelobte Biographie des Historikers vorgelegt.